Beschluss:

 

 


Oberbürgermeister Schnurr gibt folgende Erklärung ab:

 

„Sehr geehrte Damen und Herren,

erstmalig in meiner Amtszeit habe ich nach der vergangenen Gemeinderatssitzung von meinem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht. Ich wollte bewirken, dass Sie, werte Gemeinderäte, Ihr Abstimmungsverhalten überdenken können – damit unsere Stadt keinen weiteren Schaden nimmt.

 

Ein wichtiger Punkt in der Kommunalpolitik, wenn nicht der wichtigste, ist Verlässlichkeit. Wenn aber Gremien zunächst einem Vorhaben zustimmen – mitunter sogar einstimmig –, anschließend permanent Änderungen einfordern, und das Projekt dann – obwohl die Änderungen erfüllt wurden – letztendlich doch ablehnen, dann ist das inkonsequent, wankelmütig und befremdlich.

 

Die nun vorliegenden Pläne für ein Seniorenzentrum sind gelungen, architektonisch anspruchsvoll und fügen sich harmonisch in das Landschaftsbild ein. Sie sind die besten, die je vorlagen. Stattdessen eine utopische Wohnbebauung zu präferieren, das wäre, meine Damen und Herren, ein Beschluss für eine weitere Ruine. Wer würde sich um das Mutterhaus und das Gelände in den nächsten Jahren kümmern? Es würde verkommen und verbrachen – ein zweites Hundseck. Das ist die Realität.

 

Und eine sehr teure obendrein: Auf 1,8 Millionen Euro beziffert der Projektplaner die Planungs- und Anwaltskosten sowie den Schaden, der ihm entstanden ist. Die Klageschrift liegt uns bereits vor, ein Prozess wäre unvermeidlich. Dieses Geld fehlt uns in einer ohnehin klammen Finanzlage womöglich dann an anderer Stelle: an der Mensa, am Windeck-Gymnasium oder bei den dringend notwendigen Sanierungen beziehungsweise Neubauten der Kitas in Moos und Neusatz. Es ist, wie es ein ehemaliger Stadtrat formulierte: ein Ritt ins offene Messer.

 

Und das nur, weil man Gegenwind verspürt? Der Widerstand in Neusatz sei, so wird oft behauptet, erheblich. Ja, das stimmt – aber nur in einem ganz kleinen Kreis. Wie sonst lassen sich die 48 Unterschriften in der Online-Petition gegen das Seniorenzentrum erklären? 48 Unterschriften bei 2.500 Einwohnern.

48, die eine Einrichtung in Frage stellen, die es in Neusatz schon einmal gegeben hat: Im Josef-Bäder-Haus war bis Anfang dieses Jahrtausends ein Seniorenheim beheimatet, ehe es wegen neuer gesetzlicher Auflagen geschlossen werden musste. Meine Damen und Herren, zehn Jahre haben wir für das Kloster Neusatzeck auf einen Investor warten müssen. Lassen Sie diese Chance nicht verstreichen. Der Ruf unserer Stadt hat schon genug gelitten.“

 

 

Stadtrat Böckeler geht auf die Entwicklung in dieser Angelegenheit ein, er benennt die verschiedenen vorgenommenen Änderungen, die u.a. der Arbeit des Ortschaftsrates Neusatz zu verdanken waren, welche sich dieses Thema Seniorenzentrum zur Herzensangelegenheit gemacht hat. Nach über zweijähriger Planung kommt jetzt die Fraktion der Freien Wähler dazu, ein Neubaugebiet vorzuschlagen. In seinen Erläuterungen betont er, dass hier sicherlich kein Wohnraum für Familien mit mittlerem Einkommen entstehen würde. Er betont, dass die FDP-Fraktion keine Argumente mehr gegen das Seniorenzentrum findet.

Er nennt weitere Gründe, die dafür sprechen, jetzt diesem Seniorenzentrum zuzustimmen. Damit würde man sich auch um eine Beherbergung des geschützten Grauen Langohrs kümmern. Er fordert die Anwesenden deshalb auf, sich für das Seniorenzentrum und gegen den Antrag der Freien Wähler zu entscheiden. Damit auch jeder frei von Zwängen entscheiden kann, stellt er abschließend den Antrag zur Geschäftsordnung auf geheime Abstimmung.

 

Stadtrat Feuerer erklärt, dass man den Antrag mittragen kann, jedoch auch zu seiner Entscheidung bei einer offenen Abstimmung stehen würde.

 

In ähnlicher Weise äußern sich auch Stadtrat Prof. Dr. Ehinger und Stadtrat Seifermann.

 

Stadtrat Hirn erklärt, dass die SPD-Fraktion einer geheimen Abstimmung zustimmen kann.

 

Über den Antrag auf geheime Abstimmung wird abgestimmt.

 

Abstimmungsergebnis: 14 Ja-Stimmen, keine Nein-Stimmen,

                                         12 Stimmenthaltungen

 

Der Antrag ist damit angenommen, d.h. über den Beschlussvorschlag am Ende der Diskussion wird geheim abgestimmt.

 

Stadtrat Fallert erläutert nochmals seine Haltung in dieser Angelegenheit, in dem er auf die Punkte eingeht, die Oberbürgermeister Schnurr als Begründung für seinen Widerspruch benannt hat. Abschließend erklärt er, dass kein Ortschaftsrat ein persönliches Interesse an einer Wohnbebauung hat, sondern möchte, dass hier eine Bebauung erfolgt, die sich in das Landschaftsbild einfügt.

 

Stadtrat Hirn betont, dass der Gemeinderat die letzte Instanz ist und entscheiden muss, und zwar zum Wohle der gesamten Stadt. Das kann auch bedeuten, dass man nicht automatisch einen Beschluss eines Ortschaftsrates übernehmen muss. Auch er fordert die Anwesenden auf, den Antrag der Freien Wähler abzulehnen und das Veto des Oberbürgermeisters zu unterstützen.

 

Stadtrat Feuerer erklärt, dass man sich intensiv mit der Sache auseinandergesetzt hat und man sicherlich auch nicht der Stadt Nachteile zufügen möchte. Man ist auch nicht strikt gegen ein Seniorenzentrum, sondern wollte eher einer Wohnbebauung den Vorzug geben. Auch er geht auf die in der Vorlage aufgeführten Argumente ein. Er betont, dass er hinsichtlich eines möglichen Schadensersatzes die Verwaltung um eine Stellungnahme gebeten hat, worauf er noch heute keine Antwort hat. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine entsprechende Klage keine Aussicht auf Erfolg hat. Er betont auch, dass die Planungshoheit bei der Stadt liegt. Die vom Oberbürgermeister vorgebrachten planungsrechtlichen Einwände hält er allerdings für zutreffend. Der CDU-Fraktion ist bewusst, dass eine Wohnbebauung nicht so schnell umsetzbar sein wird. Aufgrund der bekanntermaßen sehr knappen Entscheidungslage im Gemeinderat stellt er den Antrag, in einfacher und schneller Form die Neusatzer Bevölkerung zu befragen, ob sie eher für ein Seniorenzentrum oder eher für Wohnbebauung wären.

 

Auch Stadtrat Nagel geht in seiner Stellungnahme nochmals auf die Entwicklung in dieser Angelegenheit ein und spricht sich gegen den Antrag der Freien Wähler aus, da er u.a. der Meinung ist, dass der Orden in diesem Fall nicht gerecht behandelt werden würde.

 

Stadtrat Seifermann ist der Meinung, dass der Widerspruch des Oberbürgermeisters mutig aber auch notwendig war. Auch er geht auf die Nachbesserung der Architekten ein und findet das Projekt jetzt landschaftsverträglicher als in früheren Versionen. Ein mögliches Baugebiet wäre auch deshalb problematisch, weil sich Familien mit geringerem Einkommen einen Bauplatz nicht würden leisten können. Er gesteht zu, dass in Neusatz Bauplätze fehlen, weshalb man sich Gedanken über die Ausweisung entsprechend der Flächen machen sollte, die dann auch zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung gestellt werden können. Auch der Zeitraum bis zur Baufähigkeit der Grundstücke sollte vernünftig sein, d.h. nur einige wenige Jahre dauern. Eine Befragung der Bürger hält er nicht für sinnvoll, da sie keine Probleme löst, vielmehr sollte man heute Abend entscheiden.

 

Stadtrat Jäckel betont die Wichtigkeit des Naturschutzes. Das Mutterhaus würde also auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus stehen bleiben und man könnte eine Wohnbebauung nur darum herum machen.

 

Auf Vorschlag von Stadtrat Gretz unterbricht Oberbürgermeister Schnurr die Sitzung für fünf Minuten.

 

Über den Antrag der CDU-Fraktion, eine Befragung der Neusatzer Bevölkerung durchzuführen, wird abgestimmt.

 

Abstimmungsergebnis: 11 Ja-Stimmen, 13 Nein-Stimmen,

                                          2 Stimmenthaltungen

 

Der Antrag ist damit abgelehnt.

 

Auf entsprechende Nachfrage von Stadtrat Prof. Dr. Ehinger betonen Oberbürgermeister Schnurr und Herr Bürkle, Bürgerservice-Recht-Zentrale Dienste, dass man den Antrag der FDP-Fraktion auf geheime Abstimmung so verstanden hat, dass er sich nur auf Teil A des Beschlussvorschlages, also den Antrag der FW-Fraktion bezieht. Dies wird so bestätigt.

 

Frau Beerens, Rechts- und Ausländerwesen, geht auf die möglichen Schadensersatzforderungen ein und betont, dass man durchaus ein Problem hätte, wenn man jetzt gänzlich von einem Seniorenzentrum abkommen würde. Auf jeden Fall würde es auf einen Rechtsstreit hinauslaufen, den die Stadt Bühl zu führen hätte und für den es keine Versicherung gibt.

 

Auf entsprechende Nachfrage von Stadtrat Prof. Dr. Ehinger geht Frau Beerens nochmals auf die rechtliche Situation ein.

 

Anschließend werden die Stimmzettel für die geheime Abstimmung verteilt.

 

Stadtrat Feuerer und Stadtrat Prof. Dr. Ehinger als Vertreter der stärksten Fraktionen unterstützen die Verwaltung bei der Auszählung der Stimmzettel. Danach gibt Oberbürgermeister Schnurr als Ergebnis der geheimen Abstimmung folgendes bekannt:

 

a)            Antrag FW-Fraktion BBP-Verfahren Wohnbebauung mit anschließender Veränderungssperre

 

Der Gemeinderat beschließt, die Aufstellung des Bebauungsplanes „Klosterareal Süd Neusatzeck“ für eine Wohnbebauung gemäß dem Antrag der FW-Fraktion vorzubereiten.

 

Abstimmungsergebnis: 11 Ja-Stimmen, 14 Nein-Stimmen, 1 Stimmenthaltung

 

Der Antrag ist damit abgelehnt.

 

Oberbürgermeister Schnurr lässt deshalb über Teil B des Beschlussvorschlages (Bebauungsplanverfahren „Seniorenzentrum“) abstimmen.

 

Beschluss:

 

Der Gemeinderat stimmt grundsätzlich der vorliegenden Konzeption für das Bauvorhaben „Seniorenzentrum Neusatzeck“ seitens des Investors als Basis zur Überarbeitung des Bebauungsplanentwurfes vom 16. Dezember 2019 zu.

 

 

Abstimmungsergebnis: 14 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme,

                                         11 Stimmenthaltungen

 

 

 

 

 

 


Abstimmungsergebnis: