Beschluss:

 

Der Gemeinderat stimmt den der Vorlage beigefügten Richtlinien zur Vergabe von Wohnbauplätzen und die darin enthaltenen Vergabekriterien zu.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, diese „Bauplatzvergabe-Richtlinien mit Vergabekriterien zum Verkauf von Wohnbauplätzen“ ab sofort bei der Vergabe der jeweiligen öffentlich ausgeschriebenen städtischen Wohnbauplätze anzuwenden und dem Gemeinderat entsprechende Beschlussvorschläge vorzulegen.

 

 


Oberbürgermeister Schnurr erklärt eingangs, dass die Vergabekriterien aufgrund der Anregungen von Stadtrat Nagel nochmals kritisch überarbeitet wurden.

So wurde jeweils die Vertragsstrafe bei der Nichtveräußerung von vorhandenen Immobilien oder bebaubaren Grundstücken und bei Nichteinhaltung der Forderung zur Eigennutzung für eine Dauer von mindestens fünf Jahren gestrichen. Dafür solle ein Wiedervorkaufsrecht für die Stadt vertraglich vereinbart werden. Die Frist für die Fertigstellung der Bebauung wurde von zwei auf drei Jahre erweitert.

 

Stadtrat Nagel erklärt, dass diese neuen Richtlinien die alten ersetzen werden und für lange Zeit Grundlage der städtischen Bauplatzvergaben sein werden. Er betont, dass Bauplätze in Bühl ein rares Gut sind, entsprechend hoch ist auch die Nachfrage aus der Bevölkerung. Annähernd 500 Personen haben sich seit Freischaltung der entsprechenden Website registrieren lassen. Bei jedem neuen Baugebiet stehen also einer begrenzten Anzahl von Bauplätzen eine Vielzahl von Bewerbern gegenüber.

Die Auswahl muss gerecht sein, d.h. es darf keine Ungleichbehandlung erfolgen, und es sollen auch soziale Kriterien gewichtet werden. Es muss aber auch europäisches Recht berücksichtigt werden, insbesondere die Freizügigkeit für Arbeitnehmer und die Niederlassungsfreiheit. Eine unionsrechtswidrige Diskriminierung ist nur erlaubt, wenn es einen zwingenden Grund gibt. Laut dem europäischen Gerichtshof kann die Absicht, ein ausreichendes Wohnangebot für einkommensschwache Personen oder andere benachteiligte Gruppen der örtlichen Bevölkerung sicherzustellen, einen solchen zwingenden Grund darstellen. Die neuen städtischen Kriterien sind transparent und weitgehend nachvollziehbar. Weitgehend nur deshalb, weil beim Vergabekriterium Kinder und Altersstruktur ausgeführt wird, dass man bei drei Kindern zwischen null und drei Jahren 420 Punkte bekommen soll, in der gesamten Kategorie aber nur insgesamt 300 Punkte bekommen kann. Dies muss seiner Meinung nach berichtigt werden. Soziale Kriterien sind insoweit gewichtet, dass Kinder überhaupt und die Anzahl berücksichtigt werden, auch der Umstand der Pflege und Behinderung gibt zu Recht Zusatzpunkte. Der SPD-Fraktion fehlt aber im Sozialbereich gänzlich die Gewichtung des Haushaltseinkommens der Bewerber. Er weist darauf hin, dass die Stadt ihre Bauplätze kostendeckend vergibt, d.h. man will und darf die Bauplätze nicht subventionieren. Die Stadt soll und darf auch nicht Preistreiber auf dem Immobilienmarkt sein. Damit liegen die städtischen Baupreise in der Regel unterhalb der marktüblichen Preise, was wohl auch u.a. eine Erklärung für die hohe Nachfrage ist. Es gibt sicherlich Teile der Bevölkerung, die über genügend Mittel verfügen, sich ein Grundstück auf dem allgemeinen Immobilienplatz zu besorgen. Es gibt aber sicherlich auch eine große Anzahl von Bürgern, die überhaupt nur bauen können, wenn sie ein städtisches Baugrundstück erwerben können. Für diese Gruppen z.B. Familien, die nur ein Einkommen unterhalb des Durchschnittes in Baden-Württemberg erzielen, möchte die SPD-Fraktion auch Vergabepunkte zuerkennen, damit sie im Wettbewerb mit überdurchschnittlichen Einkommensbeziehern einen Punktevorteil haben. Dieses durchschnittliche Jahresbruttoeinkommen liegt bei ungefähr 65.000 Euro. Er stellt deshalb im Namen der SPP-Fraktion den Antrag, als weiteres soziales Vergabekriterium in den Katalog aufzunehmen, dass ein Bewerber aus einem Haushalt mit einem Einkommen unterhalb des jährlichen Haushaltsnettoeinkommens in Baden-Württemberg 300 Punkte bekommt. Berücksichtigt hinsichtlich dieses Einkommens werden die beiden letzten Jahre. Damit soll ein Bewerbervorteil für Familien mit geringerem Einkommen geschaffen werden. Oftmals müssen solche Familien bauen, weil die Miete immer höher wird. Sie können sich jedoch auf dem freien Markt keinen Bauplatz leisten. Dieses zusätzliche Vergabekriterium ist europarechtskonform, wenn nicht sogar notwendig. Man befindet sich mit diesen Kriterien ja nicht in einem normalen Vergabeverfahren, sondern durchaus in sogenannten „Einheimischen-Modell“. Europarechtlich bedarf es deshalb gewichtiger sozialer Argumente und Vergabekriterien, um nicht in die Gefahr der Diskriminierung zu laufen. Ein solches zusätzliches Kriterium kann durchaus in die Immobilienplattform „Baupilot“ eingepflegt werden. Die benötigten Einkommensnachweise werden ohnehin abgerufen, um die Finanzierungsmöglichkeiten des Bewerbers abzuklären, insoweit dürfte der Aufwand nicht wesentlich höher sein. 

 

Frau Beerens, Rechts- und Ausländerwesen, erwidert, dass man auch bei bisherigen Vergabekriterien keinen Einkommensnachweis hatte und damit jahrzehntelang gut gefahren ist. Es waren auch immer faire Vergaben, so dass es aus Sicht der Verwaltung, keinen Grund gibt, dieses Modell jetzt grundsätzlich zu ändern. Sie betont, dass dieses „Ulmer Vergabemodell“ ausdrücklich das Einkommen und das Vermögen außen vor lässt, u.a. weil das eine sehr umfangreiche Prüfung sein kann. Dabei geht es auch darum, die gemachten Angaben hinterher zu verifizieren. Bei dem Vorschlag von Stadtrat Nagel geht es jetzt nur um das Einkommen, nicht um das Vermögen, was grundsätzlich auch nicht gerecht ist.

 

Herr Bauer, Finanzen-Beteiligungen-Liegenschaften, ergänzt ihre Ausführungen dahingehend, dass man hinsichtlich der Einkommensnachweise überlegt hat, dass diese immer nur eine Momentaufnahme darstellen. Besondere Ereignisse, wie z.B. in diesem Jahr Corona, finden dann keine Berücksichtigung. Hinsichtlich des Vermögens hat man keine Möglichkeit der Prüfung, ob diese Angaben auch wirklich stimmen.

 

Stadtrat Prof. Dr. Ehinger äußert Sympathien für den Antrag von Stadtrat Nagel, ist jedoch der Meinung, dass auch das Vermögen berücksichtigt werden sollte. Er geht auf einzelne Kriterien ein. Insgesamt halten die Freien Wähler die Kriterien für ausgewogen, transparent und gerecht. Auch die Plattform hält man für sehr hilfreich.

Abschließend sichert er die Zustimmung der FW-Fraktion zum Beschlussvorschlag zu.

 

Auch Stadtrat Seifermann zeigt sich froh, dass das alte Modell durch dieses Neue „Ulmer Vergabemodell“ abgelöst wird, welches klar und transparent ist. Er spricht sich ebenfalls für den Antrag der SPD-Fraktion aus, auch noch einen Einkommenscheck zu machen, so dass Leute, die weniger verdienen, quasi Bonuspunkte bekommen.

 

In ähnlicher Weise äußert sich auch Stadtrat Feuerer, der ebenfalls Sympathien für die Anregung von Stadtrat Nagel äußert. Er denkt, dass der dafür erforderliche Aufwand gerechtfertigt ist.

 

Stadtrat Jäckel erklärt dagegen, dass die FDP-Fraktion diese Einkommensoffenlegung ablehnt. Hier besteht die Gefahr, dass ein Leistungsträger diskriminiert werden könnte. Man begrüßt also die Vorlage in der jetzigen Form und stimmt auch der Auffassung zu, dass dieses Ulmer Modell sehr transparent ist.

 

Frau Beerens, Rechts- und Ausländerwesen, erklärt, dass das Ulmer Vergabemodell eigentlich genau bedeutet, dass die Einkommens-und Vermögensverhältnisse nicht geprüft werden. Die Einkommensverhältnisse kann man sich zwar nachweisen lassen, aber bei den Vermögensverhältnissen ist man auf die Ehrlichkeit der Betroffenen angewiesen. Dieses hundertprozentige Vertrauen in alle Bewerber ist so nicht da, weshalb es zu Ungerechtigkeiten kommen wird. Sollte dann jemand nachweisen, dass hier eine Ungerechtigkeit besteht, ist dieses ganze Verfahren rechtlich angreifbar. Damit muss man rechnen, weshalb man die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht berücksichtigen sollte.

 

Stadtrat Fritz schließt sich den Äußerungen von Frau Beerens hinsichtlich des Vermögensnachweises an. Auch er spricht sich gegen diese zusätzlichen Kriterien aus.

 

Stadtrat Nagel betont, dass es nicht um eine Vermögensüberprüfung geht, sondern um das durchschnittliche Jahreseinkommen.

 

Stadtrat Prof. Dr. Moosheimer findet es zwar grundsätzlich gut, die Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen, fragt sich aber, wie rechtssicher das dann ist. Es ist sicherlich schwierig, wenn man dann z.B. einen abgeschlossenen Betrag wieder rückabwickeln muss.

 

Auf seine entsprechende Nachfrage antwortet Herr Bauer, dass es Sinn der Sache ist, dass sich aus der erreichten Punktezahl eine Reihenfolge ergibt, d.h. auch bei nur knappen Unterschieden ist die Reihenfolge klar und es gibt eigentlich keinen Spielraum bei der Entscheidung.

 

Stadtrat Seifermann bemerkt, dass man auch beim Bafög die Einkommenssteuer-/Lohnsteuerbescheide der letzten zwei Jahre vorlegen muss.

 

Über den Antrag von Stadtrat Nagel, das jährliche Durchschnittseinkommen in die Bewertung mit aufzunehmen, wird abgestimmt.

 

Abstimmungsergebnis: 12 Ja-Stimmen, 12 Nein-Stimmen, 1 Stimmenthaltung 

 

 Der Antrag ist damit abgelehnt.

 

 


Abstimmungsergebnis: 24 Ja-Stimmen, keine Nein-Stimmen,

                                         1 Stimmenthaltung