Pachtflächenneuordnung mit Vergabegrundsätzen und Umsetzung eines Modellprogramms zur naturschutzfachlichen Gebietsaufwertung
IV. Beschlussvorschlag:
Der Gemeinderat befürwortet das Gesamtprojekt und
das Vorgehen der Verwaltung.
Zur naturschutzfachlichen Aufwertung des ca. 85 ha
großen Pachtneuordnungsgebietes sind die konzipierten 10 m breiten
Matrixflächen aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung zu entnehmen und der
„ökologische Landbau“ ist grundsätzlich zu fördern.
Das Modellprogramm „Landwirt schafft Biologische
Vielfalt“ ist wie vorgeschlagen umzusetzen.
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Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung, die
Pachtflächen unter Berücksichtigung der Sachzwänge beim einzelnen
pachtinteressierten Landwirt und der städtischen Interessen sowie unter
Anwendung der Pachtvergabe-Grundsätze zur Förderung des ökologischen Landbaus
zu vergeben.
I. Sachverhalt:
Das Thema wurde im Technischen Ausschuss, am
29.04.2021, nicht öffentlich, vorberaten. Aus Zeitgründen hinsichtlich der
Pachtverträge konnte die Vorberatung nicht im Klima- und Umweltausschuss
vorgenommen werden. Der Technische Ausschuss befürwortet die vorgeschlagene
Vorgehensweise und empfiehlt dem Gemeinderat den nachstehenden Beschluss zu
fassen.
Insbesondere aufgrund
Baugebietsausweisungen, Maßnahmen aufgrund PFC-Bodensanierungen im Gewann
Bußmatten mit einer Größe von ca. 12 ha und anderen Sachzwängen (z.B.
Existenzsicherung) ist es im Interesse der Stadt und der Allgemeinheit
erforderlich, für betroffene Bühler Landwirtschaftsbetriebe Pachtflächen zur
Verfügung zu stellen. Dieses Pachtflächenmanagement kann aufgrund der
städtischen Eigentumsverhältnisse nur im insgesamt 546,5 ha großen NSG/LSG
Waldhägenich umgesetzt werden. Das hierzu geeignete
Pachtflächen-Neuordnungsgebiet hat eine Gesamtgröße von ca. 85 ha, liegt im
Natur- und Landschaftsschutzgebiet und ist auf der Karte -Anlage 1-
dargestellt.
Um aufgrund der
Sachzwänge und nach weiteren Überprüfungen des konkreten Pachtflächenbedarfes
im Einzelfall auch tatsächlich erforderliche oder gewünschte Maßnahmen umsetzen
zu können, hat die Verwaltung bereits vorsorglich sämtliche Pachtverträge im
Projektgebiet zum Jahresende 2021 gekündigt. Damit ist der Weg frei für
Neuordnungen und die Verwaltung kann mit den bisherigen und auch potentiellen
neuen Pächtern Pachtneuverhandlungen führen.
Bei einem Wunsch nach
Fortsetzung der Pacht müssen die Interessenten dies beantragen und dabei
Angaben über die Notwendigkeit sowie Betriebsstruktur machen.
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Es ist geplant, zuerst
mit den bisherigen Landwirten Einzelgespräche zu führen. In dem Gespräch werden
die Vergabegrundsätze besprochen und die Bereitschaft abgefragt, ob der
Landwirt die Möglichkeit hat, neben dem zwingend erforderlichen Abschluss des
LPR-Vertrages für Ackerland, zusätzlich auch einzelne Vergabegrundsätze, zum
ökologischen Landbau, umzusetzen.
Über die konkreten
künftigen Verpachtungen im Einzelfall entscheidet die Verwaltung nach
objektiven Gesichtspunkten.
In der Projektfläche sind
bereits angelegte Landschaftsstrukturen wie Heckenzüge, Einzelbäume,
Baumgruppen, Ausgleichsflächen und Wege enthalten. Dennoch ist festzustellen,
dass die Flächen im LSG aktuell von Intensivlandwirtschaft geprägt sind.
Vor dem Hintergrund der
Zielvorgaben der Bio-Musterregion bietet die Neuordnung zum jetzigen Zeitpunkt
die Chance, Vergabegrundsätze für die Neuverpachtungen zu operationalisieren,
um wichtige Impulse für eine ökologische Landwirtschaft zu setzen.
Die beigefügte
Informationsschrift „Ökologischer Landbau in Deutschland“ (-siehe Anlage 2-)
gibt einen Überblick zum ökologischen Landbau in Deutschland. Sie bietet
diverse Anregungen für die Pächter. Ein Baustein zur ökologischen
Bewirtschaftung ist u.a. auch die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und zu mehren.
Im Rahmen der
Neuverpachtungen formulierte die Verwaltung zur maßgeblichen Berücksichtigung
die folgenden
Vergabegrundsätze zur Förderung des „ökologischen
Landbaus“:
- Förderung der natürlichen Funktionen des
Bodens durch biologische Bewirtschaftung
- Einhaltung der Bewirtschaftungsvorgaben
für vereinbarte Landschaftspflegelemente
- Selbstvermarkter (Hofladen, Tierhaltung)
- Förderung des Anbaus regionaler
Produkte/Nahrungsmittel
- Analyse Flächenbedarf der Landwirte
- Einwilligung zum Abschluss und Ausführung
des LPR-Vertrages (= Zuwendungsvertrag zwischen Land BW und Landwirt nach
der Landschaftspflegerichtlinie) für Ackerland mit dem LRA Rastatt, Untere
Naturschutzbehörde, im Rahmen des
Modellprogramm „Landwirt schafft Biologische Vielfalt“.
Für
das geplante Pachtflächen-Neuordnungsgebiet sieht § 3(4)
Schutzgebietsverordnung u.a. folgende Schutzzwecke vor:
1.
Sicherung des ökologisch notwendigen
Ergänzungsraumes des umschlossenen
Naturschutzgebietes für dessen charakteristische Lebensgemeinschaften.
2.
Schaffung einer Pufferzone für das
umschlossene Naturschutzgebiet.
3.
Erhaltung der charakteristischen
Landschaftsstrukturen wie Einzelbäume, Röhricht- und Hochstaudensäume entlang
von Gräben und Kanälen.
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Wie bereits ausgeführt, ist
die Projektfläche aktuell von Intensivlandwirtschaft geprägt und wird vor allem
ackerbaulich genutzt. Typische naturschutzfachlich wertgebende Agrararten wie
Feldlerche, Wiesenschafstelze oder Grauammer konnten bei den bisherigen
Kartierungen in den letzten Jahren nicht mehr nachgewiesen werden. Diese Arten
haben sich koevolutiv an traditionelle, extensiv bewirtschaftete Ackerstandorte
gebunden und in den letzten Jahrzehnten massive Populationseinbrüche durch die
zunehmende Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung erlitten.
Um
im Rahmen eines integrativen Naturschutzansatzes den Landwirten weiterhin die
rentable ackerbauliche Nutzung zu ermöglichen, aber gleichzeitig die Standorte
naturschutzfachlich aufzuwerten, wurde in Abstimmung mit dem Referat 56 des
Regierungspräsidiums Karlsruhe geplant, das Modellprogramm (Anlage 3, Seite 17)
„Landwirt schafft biologische Vielfalt“ des Ministeriums für Umwelt, Klima
und Energiewirtschaft auf dem Pachtflächen-Neuordnungsgebiet zu implementieren.
Das
Programm wurde im Rahmen des von der Landesregierung Baden-Württemberg
aufgelegten Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt entwickelt
und sieht 10 Module mit produktionsintegrierten Vertragsangeboten zur
naturschutzfachlichen Aufwertung von Ackerflächen in und um Naturschutzgebiete
vor. In Gesprächen mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe wurde vereinbart, das
Modellprogramm landesweit erstmals im LSG Waldhägenich umzusetzen.
Mit
Unterzeichnung des Pachtvertrages verpflichten sich die Landwirte über eine
Vertragslaufzeit von zunächst 5 Jahren eines der Vertragsangebote auf mind. 5 %
der Pachtfläche umzusetzen. Die 10 Module eignen sich unterschiedlich gut für
spezifische Naturräume, deswegen wurde in Zusammenarbeit mit dem Referat 56
beschlossen, den Pächtern in den Beratungsgesprächen zu empfehlen, das in Modul
7 beschriebene Vertragsmodell umzusetzen.
Dieses
Vertragsmodell ist auf die Förderung von Agrarvogelarten als Schirmarten der
Agrarbiodiversität ausgerichtet und sieht die Anlage eines mehrjährigen
Staudensaums zur Schaffung von Nahrungsquellen und Bruthabitaten am Ackerrand
vor. Bei diesem Vertragsmodell ist dabei nicht der gesamte Schlag, sondern
lediglich der Staudensaum unter Vertrag. Auf der Vertragsfläche ist dabei für
den Pächter folgendes zu beachten:
- Der Ackerrand wird zur Entwicklung eines artenreichen Saums aus
Wildpflanzenarten auf mind. 5 % der Fläche mit autochthonem (heimischem)
Saatgut angesät.
- Die anzusäende Mischung wird in Abstimmung mit der
vertragsschließenden Stelle festgelegt.
- Die Aussaat hat in Blanksaat d.h. nach Saatbettbereitung in
pflanzfreier Fläche.
- Es dürfen keine Düngemittel eingesetzt werden.
- Der artenreiche Feldsaum ist durch eine jährliche Pflegemahd mit
Abräumen des Mähguts zwischen dem 1. November und 31. Dezember zu pflegen.
Dabei darf die Mahd auf maximal 50 % der Fläche stattfinden.
- Vergütung 1.946,- Euro/Jahr/ha Vertragsfläche. Andere Förderungen
werden durch das Programm nicht beeinträchtigt.
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Zusätzlich zu den produktionsintegrierten Maßnahmen
soll nach Rücksprache mit dem RP Karlsruhe zur weiteren naturschutzfachlichen
Aufwertung auf insgesamt ca. 2 ha eine zusammenhängende, lineare, 10 m breite
Matrix (Anlage 4) auf dem Pachtflächen-Neuordnungsgebiet dauerhaft aus der
Nutzung genommen werden um das in Modul 7 beschriebene Vertragsangebot
umzusetzen. Die Matrix soll punktuell mit naturschutzfachlich wertvollen
Einzelbäumen bestockt werden.
In der Sitzung werden die Maßnahmen anhand der Pläne und
auch in Verbindung mit der zukünftigen Entwicklung des Natur- und
Landschaftsschutzgebietes Waldhägenich seitens des Schutzgebietsbetreuers
anhand einer PowerPoint-Präsentation, (Anlage 5), kurz mündlich erläutert.
II. Klimatische
Auswirkungen:
Sowohl die produktionsintegrierten Vertragsangebote
auf den Pachtflächen, als auch die dauerhafte Matrix sehen eine Umwandlung von
Ackerfläche in Grünland vor. Durch diese Landnutzungsänderung wird eine
Reduktion von CO2-Emissionen erreicht, so dass die geplanten Maßnahmen aus
Klimaschutzsicht als positiv zu bewerten sind.
III. Finanzielle
Auswirkungen:
- Die produktionsintegrierten Maßnahmen werden von den Pächtern
umgesetzt, so dass für die Stadt Bühl keine Kosten entstehen.
- Die dauerhaft aus der Nutzung genommene Matrix wird über
Biotopverbund und/oder Ökokonto finanziert - die Entscheidung über das
Procedere wird aktuell noch mit den zuständigen Naturschutzbehörden
verhandelt.
- Für Grundlagenerarbeitung durch vermessungstechnische Aufnahmen der
Matrix, Definierung der Pachtlose sowie die erforderlichen Dokumentationen
durch ein Fachbüro entstehen Kosten von ca. 6.000 Euro. Diese werden über
das Profitcenter 1133.4212 (HH 2021 Seite 166) abgewickelt.
- Für die 2 ha ausgewiesene
Matrix, die nicht mehr zur Bewirtschaftung durch den Landwirt zur
Verfügung steht, hat die Stadt einen Pachtzinsausfall von 300,- Euro/Jahr.