Betreff
Neuordnung des Gutachterausschusswesens im südlichen Landkreis Rastatt
Bildung eines Gemeinsamen Gutachterausschusses bei der Gro-ßen Kreisstadt Bühl und Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung
Vorlage
VO/003/2018
Art
Vorlage

III. Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Übertragung der Aufgaben des Gutachterausschusses der Stadt Lichtenau und der Gemeinden Bühlertal, Hügelsheim, Ottersweier, Rheinmünster und Sinzheim auf die Große Kreisstadt Bühl sowie der Bildung eines Gemeinsamen Gutachterausschusses bei der Großen Kreisstadt Bühl wird zugestimmt.

2.    Der als Anlage beigefügten öffentlich-rechtlichen Vereinbarung (Bearbeitungsstand 20. November 2018) wird zugestimmt.

 

3.    Der Oberbürgermeister wird ermächtigt, die als Anlage beigefügte öffentlich-rechtliche Vereinbarung zu unterzeichnen.

 

4.    Bei der Stadt Bühl wird die Geschäftsstelle des Gemeinsamen Gutachterausschusses eingerichtet. Hierzu werden ab 2019 3 Vollzeitkräfte im Stellenplan ausgewiesen.

 

 


I. Sachverhalt:

In der öffentlichen Gemeinderatssitzung am 06.06.2018 wurde der Sachverhalt ausführlich vorgestellt.

 

a)    Ausgangslage:

 

Der Wegfall des Preisstopps für Grundstücke und die Öffnung des Immobilienmarktes in den 1960er Jahren waren die entscheidenden Beweggründe für eine bundesgesetzliche Regelung der amtlichen Wertermittlung und der Einrichtung von Gutachterausschüssen für Grundstückswerte. Die Gutachterausschüsse nehmen als selbstständige und unabhängige Kollegialgremien hoheitliche Aufgaben wahr. Sie haben den gesetzlichen Auftrag, auf der Grundlage der tatsächlichen Kaufvorgänge objektive Informationen über das Marktgeschehen zur Verfügung zu stellen und damit Markttransparenz zu schaffen.

 

Historisch bedingt sind die Gutachterausschüsse in Baden-Württemberg bei den Gemeinden zu bilden. Innerhalb eines Landkreises können benachbarte Gemeinden die Aufgaben nach den Vorschriften der Gemeindeordnung (GemO) und des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit (GKZ) übertragen. Derzeit gibt es im Land Baden-Württemberg noch ca. 900 Gutachterausschüsse.

 

Jeder Gutachterausschuss setzt sich aus einem Vorsitzenden und weiteren (ehrenamtlichen) Gutachtern zusammen. Die Mitglieder sollen in der Ermittlung von Grundstückswerten oder sonstigen Wertermittlungen sachkundig und erfahren sein. Der Vorsitzende ist gleichzeitig auch Repräsentant des Gutachterausschusses. Außerdem ist mindestens ein Bediensteter der zuständigen Finanzbehörde mit Erfahrung in der steuerlichen Bewertung im Gutachterausschuss vertreten.

 

Die wichtigsten Aufgaben der Gutachterausschüsse sind:

 

·         Führung und Auswertung einer Kaufpreissammlung als wesentliche Arbeitsgrundlage

·         Ermittlung von Bodenrichtwerten und sonstigen Wertermittlungsdaten

·         Erstellung von Verkehrswertgutachten von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie Rechten an Grundstücken

 

Der Gutachterausschuss bedient sich einer Geschäftsstelle, die fachlich der ausschließlichen Weisung des Gutachterausschusses bzw. des Vorsitzenden untersteht. Sie erledigt die Verwaltungsaufgaben, bereitet die Arbeit des Gutachterausschusses vor und steht für Auskünfte und Informationen zur Verfügung.

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Aktuell sind im südlichen Landkreis Rastatt, der sog. „Südschiene“ folgende Gutachterausschüsse eingerichtet:

 

·         Baden-Baden

·         Bühl

·         Bühlertal

·         Hügelsheim

·         Iffezheim,

·         Ottersweier

·         Rheinmünster

·         Sinzheim

 

Das Baugesetzbuch (§§ 192 ff.) und die Immobilienwertermittlungsverordnung des Bundes vom 19. Mai 2010 (GBl. I S. 639) sowie die Gutachterausschussverordnung (GuAVO) des Landes bilden die Rechtsgrundlagen der amtlichen Wertermittlung und des Gutachterausschusswesens. Die Verfahren der Grundstückswertermittlung sind in der Immobilienwertermittlungsverordnung geregelt und werden thematisch bezüglich der einzelnen Wertermittlungsverfahren in Richtlinien konkretisiert.

 

Für Baden-Württemberg sind die Regelungen zu den Gutachterausschüssen, der Kaufpreissammlung und den Grundstückspreisdaten in der Gutachterausschussverordnung (GuAVO) der Landesregierung vom 11. Dezember 1989, zuletzt novelliert durch Verordnung vom 26. September 2017 (GBl. S. 497) enthalten.

 

b)     Änderung der Gutachterausschussverordnung vom 26. September 2017

 

Mit einer Änderungsverordnung vom 26. September 2017 hat die Landesregierung die GuAVO aus dem Jahr 1989, die seither im Wesentlichen unverändert geblieben ist, novelliert. Zum einen wurden die seither stufenweise erfolgten Änderungen bei den bundesrechtlichen Vorgaben berücksichtigt und neue bundesrechtliche Verpflichtungen, wie zum Beispiel die Schaffung einer zentralen Einrichtung zum Gutachterausschusswesen im Land, umgesetzt. Zum anderen bedingten die kontinuierlich gestiegenen Anforderungen an die Gutachterausschüsse eine Fortentwicklung der Verordnung, um die Gemeinden als Aufgabenträger in die Lage zu versetzen, die Aufgabenerfüllung im Gutachterausschusswesen verbessern zu können.

 

Wesentliche Inhalte der jüngsten Änderung der GuAVO sind:

 

·         die grundsätzliche Aufgabenzuweisung an die Gemeinden wird beibehalten;

·         benachbarte Gemeinden innerhalb eines Landkreises erhalten die Möglichkeit zur Bildung leistungsfähiger Einheiten für die sachgerechte Aufgabenerfüllung (gemeinsamer Gutachterausschuss);

·         die Bildung einer zentralen Geschäftsstelle für Grundstückswertermittlung im Land

Wie eingangs bereits dargelegt, weist Baden-Württemberg auf Grund der kommunalen Zuständigkeit eine sehr große Anzahl von Gutachterausschüssen auf (ca. 900).

 

 

 

 

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Insbesondere Gutachterausschüsse mit einem kleinen Zuständigkeitsbereich können die gesetzlichen Aufgaben nicht vollständig und vor allem nicht in der erforderlichen Qualität erfüllen, da die Zahl der Kauffälle zu gering ist und damit keine ausreichende Basis für die Ableitung der Wertermittlungsdaten vorliegt. Die Kaufpreissammlungen werden oftmals nicht zeitgemäß geführt, weil insbesondere keine Fachsoftware (automatisierte Kaufpreissammlung) dazu eingesetzt wird.

 

Nicht alle Gemeinden sind zudem in der Lage, in den Geschäftsstellen die notwendigen Stellenanteile für Personal mit dem dafür erforderlichen Sachverstand bereitzustellen. Die Folge ist eine nicht flächendeckende den fachlichen Anforderungen genügende Datenlage im Land. Dies haben Erhebungen des zuständigen Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und der Finanzverwaltung des Landes bestätigt. Aus dieser Ausgangslage ergibt sich nach Einschätzung des Landes Handlungsbedarf. Es müssen die Voraussetzungen für Verbesserungen der Aufgabenerfüllung der Gutachterausschüsse geschaffen werden.

 

Um eine den rechtlichen Bestimmungen entsprechende und den fachlichen Herausforderungen genügende Aufgabenerledigung zu erreichen, sind verstärkt interkommunale Kooperationen anzustreben. Dafür wurden die rechtlichen Grundlagen mittlerweile in der novellierten GuAVO (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GuAVO) geschaffen. Mit der Bildung eines gemeinsamen Gutachterausschusses soll ein Zuständigkeitsbereich entstehen, in dem das Aufkommen an Kauffällen vergrößert wird, um die fachliche Herleitung der Wertermittlungsdaten und eine darauf aufbauende Erstellung eines Grundstücksmarktberichtes zu verbessern sowie die Einrichtung einer ausreichend ausgestatteten Geschäftsstelle zu ermöglichen; vgl. § 1 Abs. 1 a (GuAVO). Um eine deutliche Verbesserung zu erreichen, wird eine Richtgröße von ca. 1.000 auswertbaren Kauffällen pro Jahr angestrebt.

 

Durch die Bildung der neuen Kooperationen sollen die Gutachterausschüsse in Baden-Württemberg in die Lage versetzt werden, unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnik ihre gesetzlichen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.

 

Mit der novellierten GuAVO wurden insbesondere die Möglichkeiten einer interkommunalen Zusammenarbeit erweitert. Die Aufgaben können so künftig auf eine vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft oder ein Gemeindeverwaltungsverband (nach den Vorschriften der Gemeindeordnung) oder im Wege einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung auf eine Gemeinde im Landkreis nach den Vorschriften des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit (GKZ) übertragen werden. Rein rechtlich wäre auch die Übernahme der Aufgabenträgerschaft durch einen Zweckverband oder eine gemeinsame selbständige Kommunalanstalt nicht ausgeschlossen. Künftige Kooperationen bedürfen in der Regel der Genehmigung durch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde.

 

c)     Weiteres Vorgehen im südlichen Landkreis Rastatt

 

Aufgrund der o.g. dargestellten Novellierung der GuAVO und nach der Präsentation im Gemeinderat der Stadt Bühl am 06.06.2018 wurde die Konzeption in allen Kommunen der „Südschiene“ –außer der Stadt Baden-Baden- vorgestellt. Mit der Stadt Baden-Baden als Stadtkreis darf aus rechtlichen Gründen keine interkommunale Zusammenarbeit auf Gutachterausschussebene eingegangen werde, da sie keine Kommune des Landkreises Rastatt ist.

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Die Gemeinde Iffezheim hat sich aufgrund der bestehenden Verwaltungsgemeinschaft mit der Stadt Rastatt dazu entschlossen, künftig die Aufgaben des Gutachterausschusses an die Stadt Rastatt abzugeben.

 

Durch einen Zusammenschluss der Gutachterausschüsse der Städte Bühl und Lichtenau sowie der Gemeinden Bühlertal, Hügelsheim, Ottersweier, Rheinmünster und Sinzheim (sog. Südschiene) zu einem „Gemeinsamen Gutachterausschuss bei der Großen Kreisstadt Bühl“ würde, aufgrund der Zugriffsmöglichkeit auf ca. 1.200 bis 1.300 Kaufverträge pro Jahr, eine ausreichende Basis für die dringend notwendige Ableitung der gesetzlich vorgeschriebenen Wertermittlungsdaten geschaffen. Dies wiederum würde zu einer deutlichen Verbesserung der Qualität und damit zu einer höheren Rechtssicherheit der zu erstellenden Verkehrswertgutachten führen. Der Gemeinsame Gutachterausschuss und seine Geschäftsstelle werden bei der Stadt Bühl (als zuständige Stelle) eingerichtet.

 

Gemäß dem Gemeinderatsbeschluss der Stadt Bühl vom 06.06.2018 wurden mit allen o.g. Kommunen Gespräche über den Zusammenschluss zu einem gemeinsamen Gutachterausschuss geführt und eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung über die Bildung und Erfüllung der Aufgaben des Gemeinsamen Gutachterausschusses bei der Großen Kreisstadt Bühl ausgearbeitet. Diese Vereinbarung wurde auch dem Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde zur Prüfung vorgelegt. Von dort wurde eine Genehmigungsfähigkeit der vorgelegten Fassung in Aussicht gestellt.

 

Wesentliche Inhalte des Vereinbarungsentwurfs sind:

 

1.    Übertragung der Aufgaben der Gutachterausschüsse der Stadt Lichtenau und der Gemeinden Bühlertal, Hügelsheim, Ottersweier, Rheinmünster und Sinzheim auf die Große Kreisstadt Bühl

2.    Bildung eines gemeinsamen Gutachterausschusses bei der Großen Kreisstadt Bühl

3.    Regelungen zur Bestellung (ehrenamtlicher) Gutachter

4.    Ersatz der (Netto-)Kosten nach Abzug möglicher Erlöse durch die Beteiligten nach einem einwohnerbezogenen Verteilungsschlüssel

5.    Kündigungsmöglichkeit

 

Über die Aufhebung der bestehenden Gutachterausschüsse, die Abberufung der bisherigen Gutachter sowie die Benennung von ehrenamtlichen Gutachtern ist von den zuständigen Gremien zu gegebener Zeit noch gesondert zu entscheiden.

 

Von den genannten Kommunen, die die Aufgaben des Gutachterausschusses an die Große Kreisstadt Bühl übertragen möchten, liegen die entsprechenden Gemeinderatsbeschlüsse zur Übertragung der Aufgaben und der Zustimmung zur öffentlich-rechtlichen Vereinbarung wie folgt vor:

 

-       Stadt Lichtenau vom 11. Oktober 2018

-       Gemeinde Bühlertal vom 06. November 2018

-       Gemeinde Hügelsheim vom 12. November 2018

 

 

 

 

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Nach der Erstellung und dem Versand dieser Vorlage wird der Beschluss in

-       Gemeinde Ottersweier am 26. November 2018

-       Gemeinde Sinzheim am 28. November 2018

-       Gemeinde Rheinmünster am 03. Dezember 2018

 

gefasst. Über die gefassten Beschlüsse wird in der heutigen Sitzung berichtet.

 

d)    Kosten

 

Den Städten und Gemeinden entstehen durch den Zusammenschluss keine höheren Kosten gegenüber den Kosten, die entstehen, wenn die Aufgaben nach dem BauGB voll erfüllt würden. Durch die entsprechende Kooperation in Form des Zusammenschlusses der Gutachterausschüsse werden sogar Synergieeffekte erwartet. Nach § 1 Abs. 1a der Gutachterausschussverordnung ist u.a. für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung des Gutachterausschusses eine geeignete Personal- und Sachmittelausstattung erforderlich.

Nach Auswertungen aus größeren Städten, bei denen die Aufgaben nach dem BauGB voll erfüllt werden sowie Personalbedarfsberechnungen ist eine sachgerechte und vollständige Aufgabenerfüllung bei ca. 0,5 Stellen je 10.000 Einwohner gegeben. Bei 71.768 Einwohnern der beteiligten Kommunen im südlichen Landkreis Rastatt ergibt das rd. 3,6 Stellen.

 

Kalkuliert werden die Personalkosten (gem. KGSt-Bericht 16/2015 –Kosten eines Arbeitsplatzes-) zunächst für 3,0 Stellen:

 

Geschätzte Kosten im Jahr

-        Personalkosten                                                                     ca. 209.000 €

-        Sachkosten (Kosten des Arbeitsplatzes
gemäß VwV Kostenfestlegung)                                            ca.   35.000 €

-        Entschädigungen Gutachter                                                 ca.   15.000 €

-        Softwarekosten und Weiterbildung                                       ca.     4.000 €

 


Geschätzte Kosten gesamt                                                   ca. 263.000 €

 

 

Geschätzte Gebühreneinnahmen im Jahr                            ca.   80.000 €

 

Fehlbetrag                                                                            ca. 183.000 €

 

Der ermittelte Fehlbetrag von ca. 183.000 € würde bei insgesamt ca. 71.768 Einwohnern einen Kostensatz von rd. 2,55 € jährlich pro Einwohner ergeben.

 

Die Arbeitsgruppe 62 des Städtetags Baden-Württemberg geht derzeit von einem Kostensatz bis 3,50 € jährlich je Einwohner aus.

 

Der beim Gutachterausschuss der Stadt Bühl festgestellte Kostensatz beträgt im Durchschnitt der vergangenen 3 Jahre 2,95 € jährlich pro Einwohner bzw. rd. 85.000 € im Jahr. Bei einem Gemeinsamen Gutachterausschuss liegen die jährlichen Kosten bei der Stadt Bühl bei rd. 74.000 €.

 

 

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II. Finanzielle Auswirkungen:

Mit der Einrichtung eines Gemeinsamen Gutachterausschusses bei der Stadt Bühl als zuständige Stelle werden Personal- und Sachkosten anfallen, die jedoch über einen Umlageschlüssel auf die beteiligten Kommunen umgelegt werden. Dabei entfallen auf die Stadt Bühl rd. 40% der Kosten und auf die beteiligten Kommunen rd. 60% der Kosten. Gegenüber den Vorjahren ergibt sich für die Stadt Bühl eine kalkulierte Kosteneinsparung von rd. 11.000 Euro pro Jahr.

 

 


Anlagenverzeichnis: