Betreff
Unterstützung der AMCHA e.V. als Städtepartner
Vorlage
VO/334/2020
Art
Vorlage

III. Beschlussvorschlag:

 

Der Gemeinderat beschließt, die Organisation AMCHA e.V. als Städtepartner mit jährlich 500 Euro zu unterstützen.

 

 


I. Sachverhalt:

 

Die erste urkundliche Nennung jüdischer Bewohner in Bühl stammt von 1579. Bis ins 19.Jahrhundert hinein lebten die Bühler Juden vor allem vom Viehhandel und ihre wirtschaftlichen Verhältnisse waren, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mehr als bescheiden.

 

Vor allem die markgräflichen Gesetze zur Judenemanzipation ermöglichten es jedoch im 19. Jahrhundert nicht nur, dass immer mehr Menschen jüdischen Glaubens in Bühl ihre Heimat fanden, sondern auch im gesellschaftlichen Leben der Stadt ihren Platz einnahmen, wenn gleich antisemitische Vorfälle auch danach immer wieder vorkamen. Mitte des 19. Jahrhunderts machten jüdische Bürger etwa 10 Prozent der Bevölkerung aus. Die Einrichtung eines jüdischen Friedhofes, die Errichtung einer Synagoge sowie die Gründung eines Bezirksrabbinates mit Sitz in Bühl sind Zeugnisse ihres bürgerlichen Selbstbewusstseins.

 

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts verließen etliche Menschen jüdischen Glaubens aus wirtschaftlichen Gründen unsere Stadt, dennoch gab es bis Ende der 1930er Jahre eine jüdische Gemeinde in Bühl. Ab dieser Zeit wurden auch in Bühl jüdische Menschen diskriminiert und verfolgt. Bis 1938 wurden die jüdischen Gewerbebetriebe zur Aufgabe gezwungen beziehungsweise "arisiert" Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört. Am 22. Oktober 1940 wurden aus Bühl 26 jüdische Einwohner, die nicht mehr auswandern konnten, in das KZ Gurs deportiert. Nur zwei jüdische Personen, die in sogenannter "Mischehe" lebten, blieben in Bühl zurück. Einer von ihnen wurde noch 1945 in das Ghetto Theresienstadt deportiert.

 

Seit den 1990er Jahren hat sich die Stadt verstärkt dieser wechselvollen und zum Teil unmenschlichen Geschichte der Juden in Bühl gestellt. Seither wurde nicht nur in zahlreichen Veröffentlichung und im Stadtmuseum die jüdische Geschichte unserer Stadt in den Blick genommen. Anfang der 90er Jahre lud die Stadt ehemalige jüdische Mitbürger und deren Nachfahren zu einem Besuch nach Bühl ein. Seit dieser Zeit werden vielfältige Kontakte nicht nur von der Verwaltung aus, sondern auch von Bühler Bürgern aus zu den Familien gepflegt. Letztlich geht auch die 2014 vorgenommen Straßenumbenennung der Hindenburgstraße in Herbert-Odenheimer-Straße auf diese Kontakte zurück. Der 2019 verstorbene Ehud Loeb konnte die Straßenumbenennung in Bühl noch miterleben. Er wuchs als Kind mit dem Namen Herbert Odenheimer in Bühl auf wurde 1940 nach Gurs deportiert und überlebte die Shoah dank der Hilfe französischscher Menschen.

 

Der neue Straßenname „Herbert-Odenheimer-Straße“ ist ein weiterer Baustein, der das jüdische Leben in Bühl ins Gedächtnis der heutigen Generationen bringen soll. In den vergangenen drei Jahrzehnten gab es verschiedene Initiativen zur Vermittlung dieses Themas. Nachdem 1983 ein Denkmal am Platz der Synagoge eingeweiht worden war, erschien als erste Publikation im Jahr 1986 ein schmales Heftchen „Juden in Bühl“. Im Jahr 1992 erschien die Arbeit von Wilfried Lienhard über das „Dritte Reich“ und seine Auswirkungen in Bühl. Mit ihr setzte eine intensive Auseinandersetzung mit dem „Dritten Reich“ ein, die durch Vorträge, Ausstellungen und Exkursionen unterstützt wurde. Ebenfalls 1992 brachte das Stadtgeschichtliche Institut eine Inventarisation des jüdischen Friedhofes heraus. Nachdem 1993 die Realschule nach dem Bühler jüdischen Ehrenbürger Carl Leopold Netter benannt wurde, konnte die Stadt Bühl 1999 den zweiten Band ihrer Stadtgeschichte, etwa 600 Seiten für die Zeit 1848 – 1973, herausgeben, in der auch intensiv über die Zeit des „Dritten Reiches“ und die Auswirkungen auf die jüdische Gemeinde berichtet wird. Im Jahre 2000 wurde in Bühl eine große Ausstellung „Jüdisches Leben“ im Güterbahnhof gezeigt, zu der innerhalb von nur drei Wochen 5.500 Besucher begrüßt werden konnten. Zu der Ausstellung erschien ein eigener Band „Jüdisches Leben“, in dem von mehreren Autoren die Geschichte der jüdischen Gemeinde und ihrer Einrichtungen minutiös nachgezeichnet wird und den man auch heute noch als Grundlagenband zur jüdischen Geschichte Bühls bezeichnen kann. An der Stelle der mittlerweile abgerissenen Güterbahnhofhalle, von der aus 1940 die jüdischen Bürger deportiert worden waren, wurde im Jahr 2005 ein Mahnmal mit den Namen der 26 deportierten Personen errichtet. Seit 2008 ist in Bühl ein ausgeschilderter Rundgang mit dem Titel „Auf jüdischen Spuren“ möglich. Ein gedruckter Flyer stellt die einstigen Standorte der jüdischen Einrichtungen und deren Bedeutung für die Gemeinde vor und vermittelt Wissenswertes zu den Gemeindemitgliedern. Das Stadtmuseum Bühl beherbergt seit 2013 eine „Religionsgeschichte“, die einen besonderen Schwerpunkt zur jüdischen Religion setzt. Anschauliche Exponate, übersichtliche Texttafeln sowie das multimedial aufbereitete Memorbuch der Bühler jüdischen Gemeinde machen den Besuch zu einem kurzweiligen und spannenden Erlebnis für Jung und Alt.

 

Die Auflistung der Aktivitäten macht deutlich, dass sich die Stadt Bühl in den letzten vier Jahrzehnten nicht nur der Erinnerung an die jüdische Geschichte unserer Stadt verpflichtet hat, sondern und auch der Erinnerung an die Shoah. Die Stadt Bühl möchte diese Erinnerungskultur weiterführen und ergänzen, in dem sie als Städtepartner die Organisation AMCHA e.V. unterstützt.

AMCHA hilft und unterstützt traumatisierte Überlebende des Holocaust und ihre Nachkommen. AMCHA Deutschland wurde 1988 als Unterstützungsorganisation der Arbeit in Israel sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR gegründet. Nach der Wiedervereinigung fanden beide Vereine unter dem Namen AMCHA Deutschland zusammen. Der Verein tritt durch Projektarbeit und Fundraising in der Öffentlichkeit auf, die Stiftung unterstützt die psychosoziale Hilfe durch AMCHA in Israel finanziell.

 

Derzeit fühlen sich vier Städte und Gemeinden den Anliegen von AMCHA Deutschland verbunden. Als Städtepartner fördern sie einerseits die psychosoziale Hilfe für Überlebende des Holocaust und ihre Familien in Israel direkt. Andererseits thematisieren sie in Veranstaltungen die Gegenwärtigkeit der Vergangenheit und fördern zusammen mit AMCHA Deutschland eine lebendige Erinnerungskultur.

 

 


II. Finanzielle Auswirkungen:

 

Der jährliche Beitrag zur Unterstützung beträgt 500 EURO.

 

 


Anlagenverzeichnis: