IV.
Beschlussvorschlag:
Der Gemeinderat der Stadt Bühl beschließt, dass der Abwasserzweckverband
Bühl und Umgebung beauftragt wird, die Mitgliedschaft am Zweckverband
„Klärschlammverwertung Zweckverband Südbaden“ auf der Grundlage der des
derzeitigen Satzungsentwurfes herbeizuführen und in der nächsten
Verbandsversammlung des Abwasserzweckverbandes Bühl und Umgebung hierüber einen
gemeinsamen Beschluss herbeiführt.
I.
Sachverhalt:
Ausgangslage
Die Klärschlämme der kommunalen Kläranlagenbetreiber werden in der Regel
mechanisch entwässert und über Kohlekraftwerke, Zementwerke oder
Industrieverbrennungsanlagen thermisch verwertet. Allein in Baden-Württemberg
fallen jährlich rund 640.000 Tonnen Klärschlamm mit einem
Trockenrückstandsgehalt von ca. 25% an.
Phosphor als Rohstoff
Phosphor ist neben Stickstoff das wichtigste Nährstoffelement für
Pflanzen, Tiere und Menschen. Es ist essentiell für alles Leben und als solches
nicht durch irgendein anderes Element ersetzbar. Phosphor wird daher zu 80% zur
Herstellung von Düngemitteln verwendet (Waschmittel 12%, Tierfutter 5%,
industrielle Anwendungen 3%).
Weit über 80% der geogenen Phosphorreserven liegen in politisch
instabilen Regionen (Marokko, Algerien, Jordanien, etc.) vor. Bei dem
derzeitigen Weltverbrauch betragen die Reserven wenige 100 Jahre. Die
Phosphorvorräte sind zunehmend mit Cadmium und Uran belastet.
In der BRD werden 150.000 Tonnen Phosphor/Jahr importiert. Rund 50.000 t
sind realistisch aus kommunalem Klärschlamm rückgewinnbar. Unter dem Aspekt der
Ressourceneffizienz ist es daher geboten, den im Klärschlamm enthaltenen
Phosphor zukünftig stärker als bisher zu nutzen.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung ist am
03.10.2017 in Kraft getreten. Die Anforderungen aus der Novelle lassen sich wie
folgt zusammenfassen:
- Grundsätzliche Pflicht zur Phosphorrückgewinnung aus
Klärschlamm;
Rückgewinnungsquote direkt aus dem
Klärschlamm 50% (bzw. <20g/kg TM)
oder 80% aus der Klärschlammasche;
- Umsetzung bei
Kläranlagen >100.000 EW bis zum 01.01.2029;
Kläranlagen >50.000 EW bis zum
01.01.2032,
Befreiung von der Pflicht bei Kläranlagen
<50.000 EW nur in Ausnahmefällen;
- Konzeptvorlage bei den Aufsichtsbehörden bis 2023;
- statt Phosphorrückgewinnung ist auch die Einlagerung von
Klärschlammasche in Monodeponien zur späteren Verwertung bzw. die direkte
stoffliche Verwertung, falls der Phosphor in der Asche direkt pflanzenverfügbar
vorliegt, zulässig.
Technische Rahmenbedingungen
Die Phosphorrückgewinnung direkt aus dem
Klärschlamm wird bisher nur in wenigen Anlagen im großtechnischen Maßstab
praktiziert. Die Technik hierzu befindet sich noch in der
Entwicklung/Optimierung und erscheint nur sinnvoll für Anlagen viel kleiner als
50.000 EW.
Bei großen Kläranlagen bzw. bei großem Klärschlammaufkommen ist derzeit
die Monoklärschlammverbrennung die technisch sinnvollste Vorbehandlung. Der im
Klärschlamm gebundene Phosphor konzentriert sich in der Asche um den Faktor 8
auf und ist dann in einem zweiten Schritt wirtschaftlicher rückgewinnbar.
Die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammaschen befindet sich noch in
der Entwicklung. Die Aufbereitung ist sehr komplex und erfolgt in verschiedenen
Schritten unter Zugabe verschiedenster Säuren/Laugen.
Zurzeit wird wissenschaftlich untersucht, ob der Phosphor in der
Klärschlammasche nicht auch direkt landwirtschaftlich verwertet werden kann
(Voraussetzung: Einhaltung der Düngemittelverordnung).
Die Bundesregierung geht in der Begründung zur Verordnung von der
Errichtung neuer Verbrennungskapazitäten in Deutschland in einer Größenordnung
von 1,2 Mio. t Originalsubstanz aus, wobei diese Größenordnung als zu niedrig
erscheint.
Die Monoklärschlammverbrennung ist eine seit Jahrzehnten bewährte
Technik; die Marktreife alternativer Verfahren ist in absehbarer Zeit nicht
erkennbar.
In Baden-Württemberg fehlen mindestens vier neue Anlagen um
grundsätzlich den zukünftigen Bedarf abzudecken.
Standort Kläranlage Forchheim
Eine Machbarkeitsstudie zur thermischen Klärschlammverwertung auf dem
Gelände der Kläranlage des Abwasserzweckverbandes Breisgauer Bucht in Forchheim
weist nach, dass der Standort aus technischer Sicht geeignet ist. Darüber
hinaus sind grundsätzliche baurechtliche oder naturschutzrechtliche k.o.-Kriterien
nach einer Vorprüfung durch das RP Freiburg nicht zu erkennen.
Der Standort ist auch ideal für die Annahme externer Schlämme (Nähe zur
Autobahn, keine Durchfahrt von Wohnbebauung, keine Bebauung in der
Nachbarschaft, vorhandene Infrastruktur für Energie, Personal, Entsorgung usw.,
etc.).
Die Investitionskosten einer Monoklärschlammverbrennungsanlage wurden
mit Stand 2018 auf mindestens 25 bis 40 Mio. Euro je nach Größe der Anlage
geschätzt. Die spezifischen Gesamtkosten der Monoverbrennung betragen für eine
Anlagengröße nur für das Klärschlammaufkommen beim AZV Breisgauer Bucht ca.104
Euro, brutto/t Klärschlamm. Bei einer doppelt so großen Anlage reduzieren sich
die Kosten um rund 25%. Nicht enthalten ist hierbei die Phosphorrückgewinnung
aus der Asche.
Strategie
Die neuen Anforderungen zur Phosphorrückgewinnung betreffen alle
Kläranlagenbetreiber gleichermaßen. In der Region zwischen Rastatt und Lörrach,
entlang der Autobahn A5 mit maximalen Transportzeiten von rund einer Stunde zur
zentral gelegenen Kläranlage in Forchheim, fallen 120.000 t Originalsubstanz
Klärschlamm an. Die Umsetzung einer regionalen, interkommunalen Lösung
erscheint in vielerlei Hinsicht sinnvoll:
✓ Regionaler Lösungsansatz
✓ Wirtschaftliche Größenordnung
✓ Unabhängig vom volatilen Absatzmarkt,
verlässlich
✓ Zukunftsfähig
✓ Flexibel in der weiteren Umsetzung
Mit den Vertretern großer Kläranlagenbetreiber in dieser Region wurden
die wesentlichen Eckpunkte dieser Strategie ausgearbeitet. Eine wirtschaftliche
Mindestgröße von 80.000 t Klärschlamm Originalsubstanz erscheint realisierbar.
Vorrang hat die Bündelung der Klärschlammmengen und die Realisierung der
Monoklärschlammverbrennung als technisch sinnvolle Voraussetzung für die
Phosphorrückgewinnung auf dem Gelände des AZV Breisgauer Bucht. Die
Entscheidung über die Art der Phosphorrückgewinnung wird erst später, wenn
technische und wirtschaftliche Verfahren/Anlagenkonzepte marktreif entwickelt
wurden, vorgenommen.
Organisationsform
Auf der Grundlage eines Gutachtens durch die bakertilly
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Stuttgart zur Beurteilung der sinnvollsten
Organisationsform einer interkommunalen Zusammenarbeit kann als Ergebnis
festgehalten werden, dass die Organisation in Form eines reinen Zweckverbandes
die meisten Vorzüge aufweist. Die Entscheidungsgremien des neu gegründeten
Zweckverbands können dann, angepasst an die mittelfristigen Entwicklungen auf
dem Klärschlammentsorgungsmarkt, die weiteren Schritte, wie z.B. auch die
Gründung einer Tochtergesellschaft, beschließen.
Der Satzungsentwurf wurde mit dem RP Freiburg intensiv abgestimmt. Die
essentiellen Festlegungen werden nachfolgend zusammengefasst:
- Der Zweckverband hat die Aufgabe, die bei den Mitgliedern
anfallenden Klär-schlämme thermisch zu verwerten und den Phosphor
zurückzugewinnen (Andienungspflicht der Mitglieder).
- Der Zweckverband kann sich zur Erfüllung dieser Aufgaben
Dritter, insbesondere des Abwasserzweckverbands Breisgauer Bucht, bedienen.
- Der AZV Breisgauer Bucht besitzt ein Vetorecht (Begründung: beim
Bau einer Anlage auf dem Gelände der Kläranlage in Forchheim sind viele
Schnittstellen zum Betrieb der Kläranlage zu berücksichtigen).
- Kein Stammkapital; Kapitaldienstumlage im Verhältnis der
Klärschlammkontingente; Betriebskostenumlage im Verhältnis der im
Wirtschaftsjahr angelieferten Mengen in Tonnen.
- Klärschlammtransport zur Monoverbrennungsanlage in eigener
Verantwortung und auf eigene Kosten der Verbandsmitglieder.
- Vorhaltung von Klärschlammspeichern für die Dauer von 10 Wochen
in eigenem Wirkungsbereich der Verbandsmitglieder (für Revisionszeiten der
Monoverbrennung).
Bei der Beschlussfassung der zukünftigen Verbandsmitglieder zur
Mitgliedschaft, die wiederum selber in Form von Zweckverbänden organisiert
sind, muss vorab die Zustimmung in den jeweiligen Mitgliedsgemeinden
(Gemeinderatsbeschluss) herbeigeführt werden.
Die Bestimmung der jeweiligen Klärschlammkontingente der zukünftigen
Verbandsmitglieder erfolgt nach festgelegten Kriterien auf der Grundlage des
durchschnittlichen Klärschlammanfalls der letzten drei Jahre. Zukünftige
Entwicklungen werden durch eine pauschale Vorhalteleistung bei der
Monoverbrennungsanlage in Höhe von rund 20% berücksichtigt. Die Erhebung der
notwendigen Daten erfolgt durch iat – Ingenieurberatung GmbH; Friolzheimer Str.
3A; 70499 Stuttgart; Tel: 0711 – 814 77 50; Mail: info@iat-stutt-gart.de;
Kosten: 2.600 €, netto (bereits beauftragt).
Zeitschiene
12.10.2020 Informationsveranstaltung
für die Region
2021 Beschlüsse
der regionalen Verbandsmitglieder
02/2022 Offizielle
Verbandsgründung
„Klärschlammverwertung
Zweckverband Südbaden – KZV Südbaden“
2022/28 Planung
und Bau einer Monoklärschlammverbrennungsanlage
Weitere Vorgehensweise
Abwasserzweckverband Bühl und Umgebung
Der Abwasserzweckverband Bühl und Umgebung ist hier in einer derzeit
günstigen Situation, da der Verband seit 2005 den mechanisch entwässerten
Klärschlamm entgegen damaliger rechtlicher Voraussetzungen direkt in der
Monoverbrennungsanlage der Kläranlage Karlsruhe thermisch verwerten lässt.
Durchschnittlich werden jährlich rund 3.500 Tonnen teilentwässerter Klärschlamm
mit einem Trockenrückstandsgehalt von ca. 25 % mittels einem durch den Verband
beauftragten Fuhrunternehmer zur Kläranlage Karlsruhe geliefert. Grundlage ist
ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Verband und der Stadt Karlsruhe
(letzter Stand 09.02.2018) mit jährlicher Kündigungsfrist. In den letzten
Jahren ergab sich durch technische Mängel auf der Kläranlage Karlsruhe zweimal
die Situation, dass wir auf die Rückfallebene der Kläranlage Stuttgart
zurückgreifen mussten und teilweise erhöhte Kosten entstanden, die allerdings
noch in einem guten Verhältnis zur Gesamtsituation anderer Kläranlagen stehen.
Derzeit bezahlen wir an die Kläranlage Karlsruhe einen Preis von 65,- €
brutto/netto je Tonne teilentwässerter Klärschlamm. Zzgl. zu den Fuhrkosten
ergibt sich ein Gesamtpreis von 79,08 € je Tonne Klärschlamm. Steuerrechtlich
ist bis dato ungeklärt, ob künftig und evtl. auch rückwirkend eine
Mehrwertsteuerpflicht entsteht.
Innerhalb der Kläranlage Karlsruhe steht zwar in den nächsten Jahren der
bauliche Ersatz der 1. von 2 Verbrennungslinien an. Weitere Gedanken zu
technischen und rechtlichen Konstellationen bestehen aber derzeit (Telefonat
29. Oktober 2020) nicht.
Im Februar bzw. März 2021 hat die DWA Deutsche Vereinigung für
Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., Landesverband Baden-Württemberg
unter der Schirmherrschaft des Baden-Württembergischen Umweltministers Franz
Untersteller mehrere virtuelle Konferenzen „Wege zur sicheren
Klärschlammentsorgung und Phosphorrückgewinnung in Baden-Württemberg“
durchgeführt.
Geschäftsführer Wolfgang Eller hat an zwei dieser Konferenzen am
18.02.2021 für die Region Landkreis Karlsruhe / Stadtkreis Karlsruhe / Enzkreis
/ Stadtkreis Pforzheim und am 17.03.2021 für die Region Landkreis Rastatt /
Ortenaukreis / Landkreis Emmendingen / Stadtkreis Freiburg / Stadtkreis
Baden-Baden teilgenommen. In der ersten Regionalkonferenz für den Raum
Karlsruhe zeigte sich weiterhin, dass es keine Überlegungen zwischen Karlsruhe
Stadt und Karlsruhe Kreis hinsichtlich einer gemeinsamen Anlage für die Region
gibt. Und dies obwohl Karlsruhe Stadt ja bereits eine Monoverbrennungsanlage
betreibt und mit der Erfahrung keinen völligen Neubau, sondern eine sicher
schneller absehbare Erweiterung konzipieren könnte. Das wäre für die Region,
unter anderem auch aufgrund der kürzeren (hälftigen) Transportstrecken,
vorteilhaft.
Aufgrund dieser nicht zukunftssicheren Situation für den
Abwasserzweckverband Bühl und Umgebung sind wir schon seit mehreren Jahren mit
dem Zweckverband Breisgauer Bucht im Gespräch und in der bisherigen und
weiteren Zeitschiene dort auch miteingeplant.
Im Jahr 2021 müssen der Abwasserzweckverband und auch die Städte
Baden-Baden und Rastatt und sicher auch kleinere Gemeinden in der Region eine
Entscheidung für oder gegen Freiburg treffen. Der Abwasserzweckverband hat
bereits das go durch den Vorbeschluss in der Verbandsversammlung am 16.11.2020
signalisiert. Dies war insoweit erforderlich, da der Zweckverband Breisgauer
Bucht bereits Berechnungen durchführt und erforderliche Daten hierfür
benötigte.
Stand Dezember 2017 sind derzeit spezifische Kosten für diese zentrale
Klärschlammverbrennung von 77 € je Tonne Klärschlamm (bei 20.000 Tonnen
Trockensubstanz pro Jahr) bis 104 € je Tonne Klärschlamm (bei 10.000 Tonnen
Trockensubstanz pro Jahr) kalkuliert. Eine Klarheit über eine künftige
Umsatzsteuerpflicht besteht wie bereits oben ausgeführt derzeit nicht.
Der nächste Schritt ist die Einholung der erforderlichen Beschlüsse bei
den Gremien der Verbandsmitglieder im Mai 2021. Ursprünglich war geplant vor
diesen Sitzungen eine gemeinsame Veranstaltung im Bürgerhaus Neuer Markt
durchzuführen, bei dem dann Herr Hünting, Geschäftsführer der
Abwasserzweckverbandes Breisgauer Bucht einen umfassenden Vortrag zur künftigen
Entwicklung hält. Die Beschlussfassung selbst wäre dann in den einzelnen
Sitzungen der Gemeinderäte der Verbandsgemeinden erfolgt. Corona-bedingt fällt
diese gemeinsame Infoveranstaltung aus. Der Geschäftsführer des
Abwasserzweckverbandes wird wie schon bei der Planung zur 4. Reinigungsstufe in
den einzelnen Sitzungen Rede und Antwort stehen.
II. Klimatische Auswirkungen:
Keine weiteren
Auswirkungen als bislang. Allerdings längerer Transportweg nach Freiburg.
III. Finanzielle Auswirkungen:
Nach bisherigen Schätzungen erhöhte Entsorgungskosten.