Betreff
Strategie zur langfristigen Klärschlammverwertung
Vorlage
2021/104
Art
Vorlage

IV. Beschlussvorschlag:

Der Gemeinderat der Stadt Bühl beschließt, dass der Abwasserzweckverband Bühl und Umgebung beauftragt wird, die Mitgliedschaft am Zweckverband „Klärschlammverwertung Zweckverband Südbaden“ auf der Grundlage der des derzeitigen Satzungsentwurfes herbeizuführen und in der nächsten Verbandsversammlung des Abwasserzweckverbandes Bühl und Umgebung hierüber einen gemeinsamen Beschluss herbeiführt.

 


I. Sachverhalt:

Ausgangslage

Die Klärschlämme der kommunalen Kläranlagenbetreiber werden in der Regel mechanisch entwässert und über Kohlekraftwerke, Zementwerke oder Industrieverbrennungsanlagen thermisch verwertet. Allein in Baden-Württemberg fallen jährlich rund 640.000 Tonnen Klärschlamm mit einem Trockenrückstandsgehalt von ca. 25% an.

 

Phosphor als Rohstoff

Phosphor ist neben Stickstoff das wichtigste Nährstoffelement für Pflanzen, Tiere und Menschen. Es ist essentiell für alles Leben und als solches nicht durch irgendein anderes Element ersetzbar. Phosphor wird daher zu 80% zur Herstellung von Düngemitteln verwendet (Waschmittel 12%, Tierfutter 5%, industrielle Anwendungen 3%).

Weit über 80% der geogenen Phosphorreserven liegen in politisch instabilen Regionen (Marokko, Algerien, Jordanien, etc.) vor. Bei dem derzeitigen Weltverbrauch betragen die Reserven wenige 100 Jahre. Die Phosphorvorräte sind zunehmend mit Cadmium und Uran belastet.

In der BRD werden 150.000 Tonnen Phosphor/Jahr importiert. Rund 50.000 t sind realistisch aus kommunalem Klärschlamm rückgewinnbar. Unter dem Aspekt der Ressourceneffizienz ist es daher geboten, den im Klärschlamm enthaltenen Phosphor zukünftig stärker als bisher zu nutzen.

 

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung ist am 03.10.2017 in Kraft getreten. Die Anforderungen aus der Novelle lassen sich wie folgt zusammenfassen:

-      Grundsätzliche Pflicht zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm;

Rückgewinnungsquote direkt aus dem Klärschlamm 50% (bzw. <20g/kg TM)

oder 80% aus der Klärschlammasche;

-      Umsetzung bei Kläranlagen >100.000 EW bis zum 01.01.2029;

Kläranlagen >50.000 EW bis zum 01.01.2032,

Befreiung von der Pflicht bei Kläranlagen <50.000 EW nur in Ausnahmefällen;

-      Konzeptvorlage bei den Aufsichtsbehörden bis 2023;

-      statt Phosphorrückgewinnung ist auch die Einlagerung von Klärschlammasche in Monodeponien zur späteren Verwertung bzw. die direkte stoffliche Verwertung, falls der Phosphor in der Asche direkt pflanzenverfügbar vorliegt, zulässig.

 

Technische Rahmenbedingungen

Die Phosphorrückgewinnung direkt aus dem Klärschlamm wird bisher nur in wenigen Anlagen im großtechnischen Maßstab praktiziert. Die Technik hierzu befindet sich noch in der Entwicklung/Optimierung und erscheint nur sinnvoll für Anlagen viel kleiner als 50.000 EW.

Bei großen Kläranlagen bzw. bei großem Klärschlammaufkommen ist derzeit die Monoklärschlammverbrennung die technisch sinnvollste Vorbehandlung. Der im Klärschlamm gebundene Phosphor konzentriert sich in der Asche um den Faktor 8 auf und ist dann in einem zweiten Schritt wirtschaftlicher rückgewinnbar.

Die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammaschen befindet sich noch in der Entwicklung. Die Aufbereitung ist sehr komplex und erfolgt in verschiedenen Schritten unter Zugabe verschiedenster Säuren/Laugen.

Zurzeit wird wissenschaftlich untersucht, ob der Phosphor in der Klärschlammasche nicht auch direkt landwirtschaftlich verwertet werden kann (Voraussetzung: Einhaltung der Düngemittelverordnung).

Die Bundesregierung geht in der Begründung zur Verordnung von der Errichtung neuer Verbrennungskapazitäten in Deutschland in einer Größenordnung von 1,2 Mio. t Originalsubstanz aus, wobei diese Größenordnung als zu niedrig erscheint.

Die Monoklärschlammverbrennung ist eine seit Jahrzehnten bewährte Technik; die Marktreife alternativer Verfahren ist in absehbarer Zeit nicht erkennbar.

In Baden-Württemberg fehlen mindestens vier neue Anlagen um grundsätzlich den zukünftigen Bedarf abzudecken.

 

Standort Kläranlage Forchheim

Eine Machbarkeitsstudie zur thermischen Klärschlammverwertung auf dem Gelände der Kläranlage des Abwasserzweckverbandes Breisgauer Bucht in Forchheim weist nach, dass der Standort aus technischer Sicht geeignet ist. Darüber hinaus sind grundsätzliche baurechtliche oder naturschutzrechtliche k.o.-Kriterien nach einer Vorprüfung durch das RP Freiburg nicht zu erkennen.

Der Standort ist auch ideal für die Annahme externer Schlämme (Nähe zur Autobahn, keine Durchfahrt von Wohnbebauung, keine Bebauung in der Nachbarschaft, vorhandene Infrastruktur für Energie, Personal, Entsorgung usw., etc.).

Die Investitionskosten einer Monoklärschlammverbrennungsanlage wurden mit Stand 2018 auf mindestens 25 bis 40 Mio. Euro je nach Größe der Anlage geschätzt. Die spezifischen Gesamtkosten der Monoverbrennung betragen für eine Anlagengröße nur für das Klärschlammaufkommen beim AZV Breisgauer Bucht ca.104 Euro, brutto/t Klärschlamm. Bei einer doppelt so großen Anlage reduzieren sich die Kosten um rund 25%. Nicht enthalten ist hierbei die Phosphorrückgewinnung aus der Asche.

 

Strategie

Die neuen Anforderungen zur Phosphorrückgewinnung betreffen alle Kläranlagenbetreiber gleichermaßen. In der Region zwischen Rastatt und Lörrach, entlang der Autobahn A5 mit maximalen Transportzeiten von rund einer Stunde zur zentral gelegenen Kläranlage in Forchheim, fallen 120.000 t Originalsubstanz Klärschlamm an. Die Umsetzung einer regionalen, interkommunalen Lösung erscheint in vielerlei Hinsicht sinnvoll:

Regionaler Lösungsansatz

Wirtschaftliche Größenordnung

Unabhängig vom volatilen Absatzmarkt, verlässlich

Zukunftsfähig

Flexibel in der weiteren Umsetzung

 

Mit den Vertretern großer Kläranlagenbetreiber in dieser Region wurden die wesentlichen Eckpunkte dieser Strategie ausgearbeitet. Eine wirtschaftliche Mindestgröße von 80.000 t Klärschlamm Originalsubstanz erscheint realisierbar.

Vorrang hat die Bündelung der Klärschlammmengen und die Realisierung der Monoklärschlammverbrennung als technisch sinnvolle Voraussetzung für die Phosphorrückgewinnung auf dem Gelände des AZV Breisgauer Bucht. Die Entscheidung über die Art der Phosphorrückgewinnung wird erst später, wenn technische und wirtschaftliche Verfahren/Anlagenkonzepte marktreif entwickelt wurden, vorgenommen.

 

Organisationsform

Auf der Grundlage eines Gutachtens durch die bakertilly Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Stuttgart zur Beurteilung der sinnvollsten Organisationsform einer interkommunalen Zusammenarbeit kann als Ergebnis festgehalten werden, dass die Organisation in Form eines reinen Zweckverbandes die meisten Vorzüge aufweist. Die Entscheidungsgremien des neu gegründeten Zweckverbands können dann, angepasst an die mittelfristigen Entwicklungen auf dem Klärschlammentsorgungsmarkt, die weiteren Schritte, wie z.B. auch die Gründung einer Tochtergesellschaft, beschließen.

Der Satzungsentwurf wurde mit dem RP Freiburg intensiv abgestimmt. Die essentiellen Festlegungen werden nachfolgend zusammengefasst:

-      Der Zweckverband hat die Aufgabe, die bei den Mitgliedern anfallenden Klär-schlämme thermisch zu verwerten und den Phosphor zurückzugewinnen (Andienungspflicht der Mitglieder).

-      Der Zweckverband kann sich zur Erfüllung dieser Aufgaben Dritter, insbesondere des Abwasserzweckverbands Breisgauer Bucht, bedienen.

-      Der AZV Breisgauer Bucht besitzt ein Vetorecht (Begründung: beim Bau einer Anlage auf dem Gelände der Kläranlage in Forchheim sind viele Schnittstellen zum Betrieb der Kläranlage zu berücksichtigen).

-      Kein Stammkapital; Kapitaldienstumlage im Verhältnis der Klärschlammkontingente; Betriebskostenumlage im Verhältnis der im Wirtschaftsjahr angelieferten Mengen in Tonnen.

-      Klärschlammtransport zur Monoverbrennungsanlage in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten der Verbandsmitglieder.

-      Vorhaltung von Klärschlammspeichern für die Dauer von 10 Wochen in eigenem Wirkungsbereich der Verbandsmitglieder (für Revisionszeiten der Monoverbrennung).

 

Bei der Beschlussfassung der zukünftigen Verbandsmitglieder zur Mitgliedschaft, die wiederum selber in Form von Zweckverbänden organisiert sind, muss vorab die Zustimmung in den jeweiligen Mitgliedsgemeinden (Gemeinderatsbeschluss) herbeigeführt werden.

Die Bestimmung der jeweiligen Klärschlammkontingente der zukünftigen Verbandsmitglieder erfolgt nach festgelegten Kriterien auf der Grundlage des durchschnittlichen Klärschlammanfalls der letzten drei Jahre. Zukünftige Entwicklungen werden durch eine pauschale Vorhalteleistung bei der Monoverbrennungsanlage in Höhe von rund 20% berücksichtigt. Die Erhebung der notwendigen Daten erfolgt durch iat – Ingenieurberatung GmbH; Friolzheimer Str. 3A; 70499 Stuttgart; Tel: 0711 – 814 77 50; Mail: info@iat-stutt-gart.de; Kosten: 2.600 €, netto (bereits beauftragt).

 

Zeitschiene

12.10.2020        Informationsveranstaltung für die Region

2021                  Beschlüsse der regionalen Verbandsmitglieder

02/2022             Offizielle Verbandsgründung

                          „Klärschlammverwertung Zweckverband Südbaden – KZV Südbaden“

2022/28             Planung und Bau einer Monoklärschlammverbrennungsanlage

 

 

Weitere Vorgehensweise Abwasserzweckverband Bühl und Umgebung

Der Abwasserzweckverband Bühl und Umgebung ist hier in einer derzeit günstigen Situation, da der Verband seit 2005 den mechanisch entwässerten Klärschlamm entgegen damaliger rechtlicher Voraussetzungen direkt in der Monoverbrennungsanlage der Kläranlage Karlsruhe thermisch verwerten lässt. Durchschnittlich werden jährlich rund 3.500 Tonnen teilentwässerter Klärschlamm mit einem Trockenrückstandsgehalt von ca. 25 % mittels einem durch den Verband beauftragten Fuhrunternehmer zur Kläranlage Karlsruhe geliefert. Grundlage ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Verband und der Stadt Karlsruhe (letzter Stand 09.02.2018) mit jährlicher Kündigungsfrist. In den letzten Jahren ergab sich durch technische Mängel auf der Kläranlage Karlsruhe zweimal die Situation, dass wir auf die Rückfallebene der Kläranlage Stuttgart zurückgreifen mussten und teilweise erhöhte Kosten entstanden, die allerdings noch in einem guten Verhältnis zur Gesamtsituation anderer Kläranlagen stehen. Derzeit bezahlen wir an die Kläranlage Karlsruhe einen Preis von 65,- € brutto/netto je Tonne teilentwässerter Klärschlamm. Zzgl. zu den Fuhrkosten ergibt sich ein Gesamtpreis von 79,08 € je Tonne Klärschlamm. Steuerrechtlich ist bis dato ungeklärt, ob künftig und evtl. auch rückwirkend eine Mehrwertsteuerpflicht entsteht.

Innerhalb der Kläranlage Karlsruhe steht zwar in den nächsten Jahren der bauliche Ersatz der 1. von 2 Verbrennungslinien an. Weitere Gedanken zu technischen und rechtlichen Konstellationen bestehen aber derzeit (Telefonat 29. Oktober 2020) nicht.

 

Im Februar bzw. März 2021 hat die DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., Landesverband Baden-Württemberg unter der Schirmherrschaft des Baden-Württembergischen Umweltministers Franz Untersteller mehrere virtuelle Konferenzen „Wege zur sicheren Klärschlammentsorgung und Phosphorrückgewinnung in Baden-Württemberg“ durchgeführt.

Geschäftsführer Wolfgang Eller hat an zwei dieser Konferenzen am 18.02.2021 für die Region Landkreis Karlsruhe / Stadtkreis Karlsruhe / Enzkreis / Stadtkreis Pforzheim und am 17.03.2021 für die Region Landkreis Rastatt / Ortenaukreis / Landkreis Emmendingen / Stadtkreis Freiburg / Stadtkreis Baden-Baden teilgenommen. In der ersten Regionalkonferenz für den Raum Karlsruhe zeigte sich weiterhin, dass es keine Überlegungen zwischen Karlsruhe Stadt und Karlsruhe Kreis hinsichtlich einer gemeinsamen Anlage für die Region gibt. Und dies obwohl Karlsruhe Stadt ja bereits eine Monoverbrennungsanlage betreibt und mit der Erfahrung keinen völligen Neubau, sondern eine sicher schneller absehbare Erweiterung konzipieren könnte. Das wäre für die Region, unter anderem auch aufgrund der kürzeren (hälftigen) Transportstrecken, vorteilhaft.

 

Aufgrund dieser nicht zukunftssicheren Situation für den Abwasserzweckverband Bühl und Umgebung sind wir schon seit mehreren Jahren mit dem Zweckverband Breisgauer Bucht im Gespräch und in der bisherigen und weiteren Zeitschiene dort auch miteingeplant.

 

Im Jahr 2021 müssen der Abwasserzweckverband und auch die Städte Baden-Baden und Rastatt und sicher auch kleinere Gemeinden in der Region eine Entscheidung für oder gegen Freiburg treffen. Der Abwasserzweckverband hat bereits das go durch den Vorbeschluss in der Verbandsversammlung am 16.11.2020 signalisiert. Dies war insoweit erforderlich, da der Zweckverband Breisgauer Bucht bereits Berechnungen durchführt und erforderliche Daten hierfür benötigte.

 

Stand Dezember 2017 sind derzeit spezifische Kosten für diese zentrale Klärschlammverbrennung von 77 € je Tonne Klärschlamm (bei 20.000 Tonnen Trockensubstanz pro Jahr) bis 104 € je Tonne Klärschlamm (bei 10.000 Tonnen Trockensubstanz pro Jahr) kalkuliert. Eine Klarheit über eine künftige Umsatzsteuerpflicht besteht wie bereits oben ausgeführt derzeit nicht.

 

Der nächste Schritt ist die Einholung der erforderlichen Beschlüsse bei den Gremien der Verbandsmitglieder im Mai 2021. Ursprünglich war geplant vor diesen Sitzungen eine gemeinsame Veranstaltung im Bürgerhaus Neuer Markt durchzuführen, bei dem dann Herr Hünting, Geschäftsführer der Abwasserzweckverbandes Breisgauer Bucht einen umfassenden Vortrag zur künftigen Entwicklung hält. Die Beschlussfassung selbst wäre dann in den einzelnen Sitzungen der Gemeinderäte der Verbandsgemeinden erfolgt. Corona-bedingt fällt diese gemeinsame Infoveranstaltung aus. Der Geschäftsführer des Abwasserzweckverbandes wird wie schon bei der Planung zur 4. Reinigungsstufe in den einzelnen Sitzungen Rede und Antwort stehen.

 


II. Klimatische Auswirkungen:

Keine weiteren Auswirkungen als bislang. Allerdings längerer Transportweg nach Freiburg.

 

 

III. Finanzielle Auswirkungen:

Nach bisherigen Schätzungen erhöhte Entsorgungskosten.