IV.
Beschlussvorschlag:
1. Der Gemeinderat stimmt der Neufassung des beigefügten
Gesellschaftsvertrages zu.
2. Der Gemeinderat stimmt der unentgeltlichen Übertragung der
Gesellschaftsanteile von 3,29 % auf die Fa. Vogt Bühler Fleischwaren KG zu.
3. Der Gemeinderat stimmt der Einzahlung von 24.900 Euro in die
Kapitalrücklage zu.
4. Der Gemeinderat stimmt der Ziehung von Genussrechtskapital entsprechend
des beigefügten Genussrechtsvertrages in Höhe von 49.800 Euro zu.
5. Die Stadt Bühl verzichtet bis auf Weiteres auf die Pacht für die Nutzung
des Grundstückes und des Gebäudes. Dem Gemeinderat ist jährlich zu berichten,
damit dieser sachgerecht über eine Wiederaufnahme der Pachtforderung
entscheiden kann.
6. Der Oberbürgermeister wird ermächtigt, in der Gesellschafterversammlung
der Schlachthof Bühl GmbH entsprechend den vorgenannten Beschlussvorschlägen
abzustimmen.
I.
Sachverhalt:
Obwohl die Schlachtzahlen in den letzten Monaten zugenommen haben, entwickelte sich die wirtschaftliche Situation der Schlachthof Bühl GmbH sehr ungünstig. Im Jahr 2019 wurde ein Verlust von 73 TEUR erwirtschaftet. Im Jahr 2020 dürfte der Jahresabschluss, der derzeit erstellt wird, einen Verlust von 133 TEUR ausweisen.
Das Jahr 2021 verläuft nicht wesentlich besser. Das Eigenkapital ist aufgebraucht, obwohl andere Gesellschafter zur Sicherung der Liquidität erhebliche Einzahlungen in die Kapitalrücklage geleistet haben.
Die Gründe für diese Situation sind vielfältig. Im Wesentlichen handelt es sich um folgende Punkte: Die Organisation der Gesellschaft und des operativen Betriebes wird den heutigen Anforderungen an einen Schlachthofbetrieb nicht mehr gerecht, die Technik ist überaltert, reparaturanfällig und dadurch ineffizient, die Personalsituation sowohl in Quantität als auch Qualität problematisch und aus den daraus entstehenden Problemen des Schlachtbetriebes ist die Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt oft gestört, was den Arbeitsprozess zusätzlich verteuert.
Eine Fortsetzung
des Betriebes ist auf der derzeitigen Grundlage aller Voraussicht nach
wirtschaftlich nicht möglich und deshalb nicht zu empfehlen. Entweder der
Betrieb wird wirtschaftlich und organisatorisch auf eine neue Basis gestellt
oder er ist zu beenden.
Eine Beendigung
des Betriebes wäre für die regionale Landwirtschaft und die
fleischverarbeitenden Betriebe eine schwere Belastung, wenn nicht gar eine
existenzgefährdende Bedrohung. Deshalb wurde auf Veranlassung der Stadt Bühl
eine Arbeitsgruppe gegründet, die Wege aufzeigen sollte, wie der Schlachthof
überlebensfähig aufgestellt werden könnte und welche finanziellen Beiträge
dafür erforderlich sind.
Die Arbeitsgruppe
wird von Herrn Dr. Ewald Glaser als Vertreter des Gesellschafters Aspichhof
geleitet, der aus der umfassenden beruflichen Erfahrung als
Vorstandsvorsitzender der ZG Raiffeisen ein großes Verständnis auch für die
betriebswirtschaftlichen Erfordernisse einbringen kann. Ebenso wichtig war die
Hinzuziehung von Herrn Werner Wilfling und Herrn Henrich Oslage als externe
Berater, die mit dem ungetrübten Blick von außen den Prozess unterstützt haben.
Herr Wilfling,
Inhaber der Fa. TRICON in Zürich, verfügt über langjährige Erfahrung in der
Beratung von Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen.
Seine Aufgabe ist die Moderation und Führung der Workshops der Arbeitsgruppe,
mit dem Ziel, eine Strategie mit konkreten Handlungsfeldern zu erarbeiten. Herr
Oslage ist Mitarbeiter eines der größten Schlachtunternehmen in Deutschland und
stammt selbst von einem Schweinemastbetrieb in Niedersachsen. Seine Aufgabe
besteht darin, der Diskussion und Strategiefindung fachliche Impulse zu geben.
Die Berater werden über das Beteiligungsmanagement der Stadt Bühl finanziert.
Die Kosten betrugen bis heute ca. 13 TEUR.
Weitere Mitglieder
waren die Herren Alexander und Florian Vogt sowie Herr Andreas Bohnert als
Geschäftsführer der Schlachthof Bühl GmbH. Phasenweise wurden für die
wirtschaftlichen Fragen die Prüferin, Frau Vera Gormanns-Hug von der
Steuerberatungsgesellschaft Gormanns+Juhl aus Offenburg, und für die
gesellschaftsrechtlichen Fragen Herr Zimmer vom Beteiligungsmanagement der
Stadt Bühl hinzugezogen.
Zusätzlich haben
intensive Gespräche mit den Behörden, vom Landratsamt über das
Regierungspräsidium bis zum Landwirtschaftsministerium stattgefunden. Ziel
dieser Gespräche war die Abklärung der Rahmenbedingungen für die Beantragung
öffentlicher Zuschüsse, die wesentlich zu einer neuen finanziellen Ausstattung
beitragen könnten.
Während sich die
Situation im Schlachthof ständig verschlechterte, haben sich die
Rahmenbedingungen deutlich verbessert. Kleine, regionale Schlachthöfe sind als
Alternative zu den großen Massenschlachthöfen in den Fokus geraten. Sowohl die
Tiertransporte zu diesen Schlachtzentren als auch die Arbeitsbedingungen in
diesen, die durch die Coronapandemie noch einmal deutlich geworden sind, haben
im politischen Raum dazu geführt, sich mit den Überlebensmöglichkeiten kleiner
Betriebe zu beschäftigen und Förderprogramme aufzulegen. Hinzu kommt, dass sich
die Marktchancen des Bühler Schlachthofes verbessert haben, weil andere
Schlachthöfe geschlossen wurden oder werden.
Die Arbeit der
Arbeitsgruppe und die Gespräche mit den Behörden hatten ein klares Konzept zum
Ergebnis, das von der Gesellschafterversammlung beschlossen und mitgetragen
werden muss. Ganz wichtig ist dabei die Zustimmung der Stadt Bühl als einer der
größten Gesellschafter und als Eigentümerin des Geländes.
Das Konzept sieht
Folgendes vor:
Erstellung einer
positiven Fortführungsprognose:
Eine positive
Fortführungsprognose ist gemäß § 19 Absatz 2 Insolvenzordnung erforderlich, um
dem Insolvenzgrund der Überschuldung zu entgehen. Weiterhin ist es nicht
möglich, öffentliche Zuschüsse für ein Unternehmen zu erhalten, das keine
positive Fortführungsprognose vorlegen kann. Sie wurde von der
Steuerberatungsgesellschaft Gormanns+Juhl in Offenburg erarbeitet, steht aber
unter Vorbehalt der Umsetzung des weiter beschriebenen Konzeptes.
Öffentliche
Zuschüsse:
Für die
Ausstattung des Unternehmens mit dem für die Sanierungsinvestitionen
notwendigen Kapital sind öffentliche Förderungen eine wichtige Säule. Es wurde
ein Landesprogramm neu aufgelegt, das insbesondere Investitionen in Maßnahmen
für den Tierschutz bzw. das Tierwohl fördert. Der Fördersatz beträgt 40 % und
maximal 1 Mio. EUR pro Unternehmen. Ein Antrag über die Förderung von
Investitionen in Höhe von 700 TEUR wurde bereits vorab gestellt. Eine
Eingangsbestätigung liegt vor. Mit den Maßnahmen konnte deshalb
förderunschädlich bereits begonnen werden.
Die Zuschüsse
würden das Eigenkapital weiter stärken und die Gesellschafter erheblich von
weiteren Kapitalzuführungen entlasten. Allerdings sind öffentliche Zuschüsse
nur möglich, wenn neben einer positiven Fortführungsprognose auch die Hälfte des
Eigenkapitals wiederhergestellt ist und kein Gesellschafter mehr als 24,9 %
Kapitalanteil hat.
Kapitalzuführungen
der Gesellschafter:
Die
Wiederherstellung der Hälfte des Eigenkapitals bedeutet, dass auch die
aufgelaufenen Verluste kompensiert werden müssen. Nach derzeitiger Finanzlage
werden insgesamt ca. 300 TEUR benötigt, oder 3 TEUR je 1% Gesellschafteranteil.
Die
Kapitalbeteiligung soll auf zwei rechtlich unterschiedlichen Wegen erfolgen.
100 TEUR, also 1 TEUR je 1% Gesellschafteranteil sollen als Zuzahlung in die
Kapitalrücklage erfolgen. Weitere 200 TEUR, also 2 TEUR je 1 %
Gesellschafteranteil sollen als sogenanntes Genussrechtskapital eingebracht
werden.
Genussrechtskapital
wird auf der Basis eines Genussrechtsvertrages zwischen Gesellschaft und
Gesellschafter eingezahlt und ist im Grunde ein Darlehen, für das die
Gläubigerrechte aber deutlich eingeschränkt sind.
Anders als die
Einzahlung in die Kapitalrücklage wird das Genussrechtskapital von der
Gesellschaft entsprechend der vertraglichen Vereinbarung wieder zurückbezahlt,
ist also für den Kapitalgeber zunächst nicht verloren. Es wird auch wie ein
Darlehen verzinst, aber anders als beim Darlehen nur, wenn der
handelsrechtliche Überschuss die Zinsen abdeckt.
Ein weiterer
Unterschied zum Darlehen ist die Teilnahme des Genussrechtskapitals am Verlust
der GmbH. Sobald das übrige Eigenkapital aufgezehrt ist, vermindert es sich
ebenfalls anteilsmäßig entsprechend dem ausgewiesenen Bilanzverlust. Deshalb
wird es bilanziell zum Eigenkapital gerechnet und verbessert die Passivseite
der Bilanz.
Durch die
Kombination von Kapitalzuführung, Genussrechtskapital und den dadurch möglichen
öffentlichen Zuschüssen wird die Gesellschaft auch fremdkapitalfähig. Auf
diesem Wege wäre es möglich, die notwendigen Investitionen zu finanzieren und
die baulichen operativen Defizite zu beseitigen, ohne die Gesellschafter zu
sehr zu belasten.
Änderung der
Gesellschaftsanteile
Eine weitere
Voraussetzung für die Gewährung von öffentlichen Zuschüssen ist, dass kein Gesellschafter
über mehr als 24,9 % der Kapitalanteile verfügt. Dies muss auch im
Gesellschaftsvertrag so festgelegt werden, um Zweifel an der Zuschussfähigkeit
des Betriebes diesbezüglich auszuräumen.
Derzeit haben die
Fa. Färber 31,54 % und die Stadt Bühl 28,19 % Gesellschaftsanteil, müssen also
Gesellschaftsanteile abgeben. Die Fa. Vogt, deren Anteil derzeit 10,51 %
beträgt, hat sich bereit erklärt, die Anteile zu übernehmen. In diesem Zuge
sollen auch die Anteile der anderen Gesellschafter in kleinerem Umfang geändert
werden.
Die vorgenannten
Kapitalzuführungen der Gesellschafter werden nach Änderung der
Gesellschaftsanteile berechnet. Die Fa. Vogt ist sich dessen bewusst.
Änderung des
Gesellschaftsvertrages
Die Festlegung der
maximal möglichen Gesellschaftsanteile hat die Änderung des
Gesellschaftsvertrages zur Folge. Der derzeit gültige Vertrag stammt noch aus
dem Jahr 1989. Er ist überarbeitet worden. Die Anpassung an die erst danach in
Kraft getretenen kommunalrechtlichen Regelungen, die Kommunen bei einer
Beteiligung an dem Unternehmen beachten müssen, ist erfolgt.
Weiterhin wurde in
der Arbeitsgruppe über die Einführung eines Gremiums nachgedacht, das die
Geschäftsführung unterstützen aber auch kontrollieren soll, was die klassische
Aufgabe eines GmbH-Aufsichtsrats wäre.
Dadurch ergeben
sich so viele Änderungen des Gesellschaftsvertrages, dass es sinnvoll
erscheint, ihn neu zu fassen. Das Beteiligungsmanagement der Stadt Bühl hat
dafür einen Vorschlag unterbreitet. Er orientiert sich an dem alten Vertrag
sowie an den Verträgen der anderen Gesellschaften, an denen die Stadt Bühl
beteiligt ist.
Organisatorische
und personelle Maßnahmen
An die
Geschäftsführung einer GmbH und an den operativen Betrieb eines Schlachthofes
können heute nicht mehr dieselben Maßstäbe angelegt werden wie noch in den
1990er-Jahren. Die Organisation wurde nicht mit den Anforderungen
weiterentwickelt. Der Geschäftsführer kann nicht neben einem anstrengenden
Hauptberuf sachgerecht die Geschäfte führen, es sei denn, er erhielte eine
entsprechende Unterstützung.
Der Aufsichtsrat
ist auf Gesellschaftsebene ein erster Baustein hierzu. Für den operativen
Betrieb vor Ort ist aber ein zuverlässiger Betriebsleiter notwendig. Der Aufbau
von verlässlichen Strukturen macht nur dann Sinn, wenn sie vor Ort gelebt
werden. Dies würde dem Geschäftsführer den Freiraum verschaffen, sich mit den
organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Fragen zu beschäftigen.
Derzeit ist das
nicht möglich. Es ist nur möglich, gerade so den laufenden Betrieb aufrecht zu
erhalten.
Die zentrale
Aufgabe der Arbeitsgruppe war, diesen entscheidenden Punkt abzuarbeiten. Es
liegen zahlreiche Empfehlungen vor, wie der operative Betrieb besser und
wirtschaftlicher aufgestellt werden kann. Es wird Aufgabe der Geschäftsführung
und der Betriebsleitung sein, diese umzusetzen.
Kurzfristige
Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten
In der anstehenden
betriebswirtschaftlichen Gesundungsphase ist es notwendig, die Bühler
Schlachthof GmbH auf der Kostenseite weiter zu entlasten, bis sie in der Lage
ist, dauerhaft Einzahlungen in die Gewinnrücklage zu leisten. Dazu gehören z.B.
auch der Verzicht auf die Pacht durch die Stadt Bühl und die Verminderung der
Beschaugebühren oder alternativ ein Zuschuss des Landkreises. Die Gespräche mit
dem Landkreis stehen noch aus, über den Verzicht auf die Pacht muss der
Gemeinderat der Stadt Bühl entscheiden. Sie beträgt 12.400 Euro/Jahr.
Dem Gemeinderat
ist dann jährlich zu berichten, damit dieser über eine Wiederaufnahme der
Pachtforderung sachgerecht entscheiden kann.
Die einzelnen
Schritte wurden den Gesellschaftern in der Gesellschafterversammlung am
03.08.2021 vorgestellt. Es bestand Einvernehmen darüber, dass, sollte die
Umsetzung der einzelnen Konzeptschritte gelingen, ein zukunftsfähiger und
wirtschaftlicher Betrieb des Schlachthofes bei den aktuell gegebenen
Schlachtzahlen möglich ist.
Jeder
Gesellschafter hat die Aufgabe, zu entscheiden oder in den zuständigen Gremien
entscheiden zu lassen, ob dem Konzept so zugestimmt werden kann und ob die
finanziellen Beiträge geleistet werden.
Bereits erfolgte Kapitalzuschüsse der beteiligten Unternehmen im hohen fünfstelligen Bereich zeigen, dass ein erhebliches Interesse besteht, den Schlachthof weiter zu unterstützen.
II. Klimatische Auswirkungen:
Es wird erwartet, dass
durch die geplanten Investitionen der Energieverbrauch halbiert werden könnte.
Eine genaue Berechnung steht allerdings noch aus. Der Weiterbetrieb des
Schlachthofes würde die bei seiner Schließung erforderlichen langen
Transportwege zu alternativen Schlachtbetrieben verhindern. Es ist auch
wahrscheinlich, dass die Schließung des Schlachthofes Auswirkungen auf die
Viehhaltung im mittelbadischen Raum haben würde. Diese wiederum hätten Folgen
für die Offenhaltung der Landschaft.
III. Finanzielle Auswirkungen:
Die Stadt Bühl würde 3,29 % derzeit wertlose
Stammkapitalanteile und die Sperrminorität verlieren. Die Zuführung in die
Kapitalrücklage würde 24.900 Euro und die Ziehung von Genussrechtskapital 49.800
Euro, also insgesamt 74.700 Euro betragen. Der Verzicht auf die Pacht bedeutet
jährlich 12.400 Euro niedrigere Einnahmen.