Betreff
Schlachthof Bühl GmbH – Neufassung des Gesellschaftsvertrages und finanzielle Stützungsmaßnahmen
Vorlage
2021/182
Art
Vorlage

IV. Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Gemeinderat stimmt der Neufassung des beigefügten Gesellschaftsvertrages zu.

 

2.    Der Gemeinderat stimmt der unentgeltlichen Übertragung der Gesellschaftsanteile von 3,29 % auf die Fa. Vogt Bühler Fleischwaren KG zu.

 

3.    Der Gemeinderat stimmt der Einzahlung von 24.900 Euro in die Kapitalrücklage zu.

 

4.    Der Gemeinderat stimmt der Ziehung von Genussrechtskapital entsprechend des beigefügten Genussrechtsvertrages in Höhe von 49.800 Euro zu.

 

5.    Die Stadt Bühl verzichtet bis auf Weiteres auf die Pacht für die Nutzung des Grundstückes und des Gebäudes. Dem Gemeinderat ist jährlich zu berichten, damit dieser sachgerecht über eine Wiederaufnahme der Pachtforderung entscheiden kann.

 

6.    Der Oberbürgermeister wird ermächtigt, in der Gesellschafterversammlung der Schlachthof Bühl GmbH entsprechend den vorgenannten Beschlussvorschlägen abzustimmen.

 

 


I. Sachverhalt:

 

Obwohl die Schlachtzahlen in den letzten Monaten zugenommen haben, entwickelte sich die wirtschaftliche Situation der Schlachthof Bühl GmbH sehr ungünstig. Im Jahr 2019 wurde ein Verlust von 73 TEUR erwirtschaftet. Im Jahr 2020 dürfte der Jahresabschluss, der derzeit erstellt wird, einen Verlust von 133 TEUR ausweisen.

 

Das Jahr 2021 verläuft nicht wesentlich besser. Das Eigenkapital ist aufgebraucht, obwohl andere Gesellschafter zur Sicherung der Liquidität erhebliche Einzahlungen in die Kapitalrücklage geleistet haben.

 

Die Gründe für diese Situation sind vielfältig. Im Wesentlichen handelt es sich um folgende Punkte: Die Organisation der Gesellschaft und des operativen Betriebes wird den heutigen Anforderungen an einen Schlachthofbetrieb nicht mehr gerecht, die Technik ist überaltert, reparaturanfällig und dadurch ineffizient, die Personalsituation sowohl in Quantität als auch Qualität problematisch und aus den daraus entstehenden Problemen des Schlachtbetriebes ist die Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt oft gestört, was den Arbeitsprozess zusätzlich verteuert.

 

Eine Fortsetzung des Betriebes ist auf der derzeitigen Grundlage aller Voraussicht nach wirtschaftlich nicht möglich und deshalb nicht zu empfehlen. Entweder der Betrieb wird wirtschaftlich und organisatorisch auf eine neue Basis gestellt oder er ist zu beenden.

 

Eine Beendigung des Betriebes wäre für die regionale Landwirtschaft und die fleischverarbeitenden Betriebe eine schwere Belastung, wenn nicht gar eine existenzgefährdende Bedrohung. Deshalb wurde auf Veranlassung der Stadt Bühl eine Arbeitsgruppe gegründet, die Wege aufzeigen sollte, wie der Schlachthof überlebensfähig aufgestellt werden könnte und welche finanziellen Beiträge dafür erforderlich sind.

 

Die Arbeitsgruppe wird von Herrn Dr. Ewald Glaser als Vertreter des Gesellschafters Aspichhof geleitet, der aus der umfassenden beruflichen Erfahrung als Vorstandsvorsitzender der ZG Raiffeisen ein großes Verständnis auch für die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse einbringen kann. Ebenso wichtig war die Hinzuziehung von Herrn Werner Wilfling und Herrn Henrich Oslage als externe Berater, die mit dem ungetrübten Blick von außen den Prozess unterstützt haben.

 

Herr Wilfling, Inhaber der Fa. TRICON in Zürich, verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung von Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen. Seine Aufgabe ist die Moderation und Führung der Workshops der Arbeitsgruppe, mit dem Ziel, eine Strategie mit konkreten Handlungsfeldern zu erarbeiten. Herr Oslage ist Mitarbeiter eines der größten Schlachtunternehmen in Deutschland und stammt selbst von einem Schweinemastbetrieb in Niedersachsen. Seine Aufgabe besteht darin, der Diskussion und Strategiefindung fachliche Impulse zu geben. Die Berater werden über das Beteiligungsmanagement der Stadt Bühl finanziert. Die Kosten betrugen bis heute ca. 13 TEUR.

 

Weitere Mitglieder waren die Herren Alexander und Florian Vogt sowie Herr Andreas Bohnert als Geschäftsführer der Schlachthof Bühl GmbH. Phasenweise wurden für die wirtschaftlichen Fragen die Prüferin, Frau Vera Gormanns-Hug von der Steuerberatungsgesellschaft Gormanns+Juhl aus Offenburg, und für die gesellschaftsrechtlichen Fragen Herr Zimmer vom Beteiligungsmanagement der Stadt Bühl hinzugezogen.

 

Zusätzlich haben intensive Gespräche mit den Behörden, vom Landratsamt über das Regierungspräsidium bis zum Landwirtschaftsministerium stattgefunden. Ziel dieser Gespräche war die Abklärung der Rahmenbedingungen für die Beantragung öffentlicher Zuschüsse, die wesentlich zu einer neuen finanziellen Ausstattung beitragen könnten.

 

Während sich die Situation im Schlachthof ständig verschlechterte, haben sich die Rahmenbedingungen deutlich verbessert. Kleine, regionale Schlachthöfe sind als Alternative zu den großen Massenschlachthöfen in den Fokus geraten. Sowohl die Tiertransporte zu diesen Schlachtzentren als auch die Arbeitsbedingungen in diesen, die durch die Coronapandemie noch einmal deutlich geworden sind, haben im politischen Raum dazu geführt, sich mit den Überlebensmöglichkeiten kleiner Betriebe zu beschäftigen und Förderprogramme aufzulegen. Hinzu kommt, dass sich die Marktchancen des Bühler Schlachthofes verbessert haben, weil andere Schlachthöfe geschlossen wurden oder werden.

 

Die Arbeit der Arbeitsgruppe und die Gespräche mit den Behörden hatten ein klares Konzept zum Ergebnis, das von der Gesellschafterversammlung beschlossen und mitgetragen werden muss. Ganz wichtig ist dabei die Zustimmung der Stadt Bühl als einer der größten Gesellschafter und als Eigentümerin des Geländes.

 

Das Konzept sieht Folgendes vor:

 

 

Erstellung einer positiven Fortführungsprognose:

 

Eine positive Fortführungsprognose ist gemäß § 19 Absatz 2 Insolvenzordnung erforderlich, um dem Insolvenzgrund der Überschuldung zu entgehen. Weiterhin ist es nicht möglich, öffentliche Zuschüsse für ein Unternehmen zu erhalten, das keine positive Fortführungsprognose vorlegen kann. Sie wurde von der Steuerberatungsgesellschaft Gormanns+Juhl in Offenburg erarbeitet, steht aber unter Vorbehalt der Umsetzung des weiter beschriebenen Konzeptes.

 

 

Öffentliche Zuschüsse:

 

Für die Ausstattung des Unternehmens mit dem für die Sanierungsinvestitionen notwendigen Kapital sind öffentliche Förderungen eine wichtige Säule. Es wurde ein Landesprogramm neu aufgelegt, das insbesondere Investitionen in Maßnahmen für den Tierschutz bzw. das Tierwohl fördert. Der Fördersatz beträgt 40 % und maximal 1 Mio. EUR pro Unternehmen. Ein Antrag über die Förderung von Investitionen in Höhe von 700 TEUR wurde bereits vorab gestellt. Eine Eingangsbestätigung liegt vor. Mit den Maßnahmen konnte deshalb förderunschädlich bereits begonnen werden.

 

Die Zuschüsse würden das Eigenkapital weiter stärken und die Gesellschafter erheblich von weiteren Kapitalzuführungen entlasten. Allerdings sind öffentliche Zuschüsse nur möglich, wenn neben einer positiven Fortführungsprognose auch die Hälfte des Eigenkapitals wiederhergestellt ist und kein Gesellschafter mehr als 24,9 % Kapitalanteil hat.

 

 

Kapitalzuführungen der Gesellschafter:

 

Die Wiederherstellung der Hälfte des Eigenkapitals bedeutet, dass auch die aufgelaufenen Verluste kompensiert werden müssen. Nach derzeitiger Finanzlage werden insgesamt ca. 300 TEUR benötigt, oder 3 TEUR je 1% Gesellschafteranteil.

 

Die Kapitalbeteiligung soll auf zwei rechtlich unterschiedlichen Wegen erfolgen. 100 TEUR, also 1 TEUR je 1% Gesellschafteranteil sollen als Zuzahlung in die Kapitalrücklage erfolgen. Weitere 200 TEUR, also 2 TEUR je 1 % Gesellschafteranteil sollen als sogenanntes Genussrechtskapital eingebracht werden.

 

Genussrechtskapital wird auf der Basis eines Genussrechtsvertrages zwischen Gesellschaft und Gesellschafter eingezahlt und ist im Grunde ein Darlehen, für das die Gläubigerrechte aber deutlich eingeschränkt sind.

 

Anders als die Einzahlung in die Kapitalrücklage wird das Genussrechtskapital von der Gesellschaft entsprechend der vertraglichen Vereinbarung wieder zurückbezahlt, ist also für den Kapitalgeber zunächst nicht verloren. Es wird auch wie ein Darlehen verzinst, aber anders als beim Darlehen nur, wenn der handelsrechtliche Überschuss die Zinsen abdeckt.

 

Ein weiterer Unterschied zum Darlehen ist die Teilnahme des Genussrechtskapitals am Verlust der GmbH. Sobald das übrige Eigenkapital aufgezehrt ist, vermindert es sich ebenfalls anteilsmäßig entsprechend dem ausgewiesenen Bilanzverlust. Deshalb wird es bilanziell zum Eigenkapital gerechnet und verbessert die Passivseite der Bilanz.

 

Durch die Kombination von Kapitalzuführung, Genussrechtskapital und den dadurch möglichen öffentlichen Zuschüssen wird die Gesellschaft auch fremdkapitalfähig. Auf diesem Wege wäre es möglich, die notwendigen Investitionen zu finanzieren und die baulichen operativen Defizite zu beseitigen, ohne die Gesellschafter zu sehr zu belasten.

 

 

Änderung der Gesellschaftsanteile

 

Eine weitere Voraussetzung für die Gewährung von öffentlichen Zuschüssen ist, dass kein Gesellschafter über mehr als 24,9 % der Kapitalanteile verfügt. Dies muss auch im Gesellschaftsvertrag so festgelegt werden, um Zweifel an der Zuschussfähigkeit des Betriebes diesbezüglich auszuräumen.

 

Derzeit haben die Fa. Färber 31,54 % und die Stadt Bühl 28,19 % Gesellschaftsanteil, müssen also Gesellschaftsanteile abgeben. Die Fa. Vogt, deren Anteil derzeit 10,51 % beträgt, hat sich bereit erklärt, die Anteile zu übernehmen. In diesem Zuge sollen auch die Anteile der anderen Gesellschafter in kleinerem Umfang geändert werden. 

 

Die vorgenannten Kapitalzuführungen der Gesellschafter werden nach Änderung der Gesellschaftsanteile berechnet. Die Fa. Vogt ist sich dessen bewusst.

 

 

Änderung des Gesellschaftsvertrages

 

Die Festlegung der maximal möglichen Gesellschaftsanteile hat die Änderung des Gesellschaftsvertrages zur Folge. Der derzeit gültige Vertrag stammt noch aus dem Jahr 1989. Er ist überarbeitet worden. Die Anpassung an die erst danach in Kraft getretenen kommunalrechtlichen Regelungen, die Kommunen bei einer Beteiligung an dem Unternehmen beachten müssen, ist erfolgt.

 

Weiterhin wurde in der Arbeitsgruppe über die Einführung eines Gremiums nachgedacht, das die Geschäftsführung unterstützen aber auch kontrollieren soll, was die klassische Aufgabe eines GmbH-Aufsichtsrats wäre.

 

Dadurch ergeben sich so viele Änderungen des Gesellschaftsvertrages, dass es sinnvoll erscheint, ihn neu zu fassen. Das Beteiligungsmanagement der Stadt Bühl hat dafür einen Vorschlag unterbreitet. Er orientiert sich an dem alten Vertrag sowie an den Verträgen der anderen Gesellschaften, an denen die Stadt Bühl beteiligt ist.

 

 

Organisatorische und personelle Maßnahmen

 

An die Geschäftsführung einer GmbH und an den operativen Betrieb eines Schlachthofes können heute nicht mehr dieselben Maßstäbe angelegt werden wie noch in den 1990er-Jahren. Die Organisation wurde nicht mit den Anforderungen weiterentwickelt. Der Geschäftsführer kann nicht neben einem anstrengenden Hauptberuf sachgerecht die Geschäfte führen, es sei denn, er erhielte eine entsprechende Unterstützung.

 

Der Aufsichtsrat ist auf Gesellschaftsebene ein erster Baustein hierzu. Für den operativen Betrieb vor Ort ist aber ein zuverlässiger Betriebsleiter notwendig. Der Aufbau von verlässlichen Strukturen macht nur dann Sinn, wenn sie vor Ort gelebt werden. Dies würde dem Geschäftsführer den Freiraum verschaffen, sich mit den organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Fragen zu beschäftigen.

 

Derzeit ist das nicht möglich. Es ist nur möglich, gerade so den laufenden Betrieb aufrecht zu erhalten.

 

Die zentrale Aufgabe der Arbeitsgruppe war, diesen entscheidenden Punkt abzuarbeiten. Es liegen zahlreiche Empfehlungen vor, wie der operative Betrieb besser und wirtschaftlicher aufgestellt werden kann. Es wird Aufgabe der Geschäftsführung und der Betriebsleitung sein, diese umzusetzen.

 

 

Kurzfristige Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten

 

In der anstehenden betriebswirtschaftlichen Gesundungsphase ist es notwendig, die Bühler Schlachthof GmbH auf der Kostenseite weiter zu entlasten, bis sie in der Lage ist, dauerhaft Einzahlungen in die Gewinnrücklage zu leisten. Dazu gehören z.B. auch der Verzicht auf die Pacht durch die Stadt Bühl und die Verminderung der Beschaugebühren oder alternativ ein Zuschuss des Landkreises. Die Gespräche mit dem Landkreis stehen noch aus, über den Verzicht auf die Pacht muss der Gemeinderat der Stadt Bühl entscheiden. Sie beträgt 12.400 Euro/Jahr.

 

Dem Gemeinderat ist dann jährlich zu berichten, damit dieser über eine Wiederaufnahme der Pachtforderung sachgerecht entscheiden kann.

 

 

Die einzelnen Schritte wurden den Gesellschaftern in der Gesellschafterversammlung am 03.08.2021 vorgestellt. Es bestand Einvernehmen darüber, dass, sollte die Umsetzung der einzelnen Konzeptschritte gelingen, ein zukunftsfähiger und wirtschaftlicher Betrieb des Schlachthofes bei den aktuell gegebenen Schlachtzahlen möglich ist.

 

Jeder Gesellschafter hat die Aufgabe, zu entscheiden oder in den zuständigen Gremien entscheiden zu lassen, ob dem Konzept so zugestimmt werden kann und ob die finanziellen Beiträge geleistet werden.

 

Bereits erfolgte Kapitalzuschüsse der beteiligten Unternehmen im hohen fünfstelligen Bereich zeigen, dass ein erhebliches Interesse besteht, den Schlachthof weiter zu unterstützen.

 


II. Klimatische Auswirkungen:

 

Es wird erwartet, dass durch die geplanten Investitionen der Energieverbrauch halbiert werden könnte. Eine genaue Berechnung steht allerdings noch aus. Der Weiterbetrieb des Schlachthofes würde die bei seiner Schließung erforderlichen langen Transportwege zu alternativen Schlachtbetrieben verhindern. Es ist auch wahrscheinlich, dass die Schließung des Schlachthofes Auswirkungen auf die Viehhaltung im mittelbadischen Raum haben würde. Diese wiederum hätten Folgen für die Offenhaltung der Landschaft.

 

 

III. Finanzielle Auswirkungen:

 

Die Stadt Bühl würde 3,29 % derzeit wertlose Stammkapitalanteile und die Sperrminorität verlieren. Die Zuführung in die Kapitalrücklage würde 24.900 Euro und die Ziehung von Genussrechtskapital 49.800 Euro, also insgesamt 74.700 Euro betragen. Der Verzicht auf die Pacht bedeutet jährlich 12.400 Euro niedrigere Einnahmen.