Beschlussvorschlag
Der Klima- und Umweltausschuss stimmt der Teilnahme am Förderprogramm
„Klimaangepasstes Waldmanagement“ zu und beauftragt die Verwaltung mit der
Stellung des entsprechenden Zuwendungsantrags sowie den weiteren notwendigen
Schritten.
Sachverhalt
Im Jahr 2021 wurde auf Antrag die Nachhaltigkeitsprämie Wald
(Bundeswaldprämie) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
einmalig für diejenigen Waldbesitzenden gewährt, die eine
Nachhaltigkeitszertifizierung (z. B. über PEFC - Programme for the Endorsement of Forest Certification
Schemes
/ Programm für die Anerkennung von Forstzertifizierungssystemen) nachweisen konnten. Hiervon konnte auch
die Stadt Bühl mit einer Förderung in Höhe von 84.100 € profitieren.
Zwischenzeitlich hat das Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft Ende 2022 eine neue Fördermöglichkeit für Waldbesitzende in
Deutschland zur Anpassung der Wälder an die Herausforderungen des Klimawandels
aufgelegt. Hierbei handelt es sich um das Förderprogramm Klimaangepasstes
Waldmanagement. Die Abwicklung des Förderprogramms läuft - wie bereits bei der
Bundeswaldprämie - vollständig über die Förderinstitution des Bundes
(Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe). Für die Förderung gilt das sogenannte
Windhundprinzip, was bedeutet, dass ein begrenztes Fördervolumen (rund 27 Mio.
€ pro Jahr für Waldbesitzende aus Baden-Württemberg) in der Reihenfolge der
eingegangenen Anträge bewilligt wird.
Noch sind viele Fragen offen. Daher bildet diese Information nur den
aktuellen Stand der Kenntnis ab. Aktuelle Informationen sind erhältlich unter www.klimaanpassung-wald.de.
I. Bedingungen
Für Waldbesitzende mit einer Waldfläche über 100 Hektar sind die
nachfolgenden Kriterien zu erfüllen:
1. Vorausverjüngung
Altbestände sollen
im Zuge einer Vorausverjüngung (Verjüngung unter dem Altbestand) in die nächste
Bestandsgeneration überführt werden (5 bis 7 Jahre vor der Ernte des
Ausgangsbestandes).
2. Naturverjüngung
Die
Naturverjüngung von klimaresistenten, überwiegend standortheimischen Baumarten
soll Vorrang vor der Pflanzung haben.
3. Künstliche Verjüngung
Bei Pflanzungen
sind überwiegend standortheimische Baumarten zu verwenden.
4. Natürliche Waldentwicklung
Bei kleinflächigen
Bestandslücken bis 0,3 ha, die durch Störungen wie Sturmwurf oder Dürre
entstehen, soll die natürliche Entwicklung (Sukzession) zugelassen werden.
5. Baumartendiversität
Die
klimaresistente, standortheimische Baumartendiversität soll durch Einbringung
von Mischbaumarten erhalten und falls erforderlich erweitert werden.
6. Verzicht auf Kahlhiebe
Auf Kahlhiebe über
0,3 ha Fläche ist bei planmäßiger Verjüngung zu verzichten. Bei Nutzung von
absterbenden Bäumen müssen 10 % des Holzes auf der Fläche verbleiben. Bei
Zwangsnutzungen aufgrund von Kalamitäten (z. B. Sturm, Borkenkäferbefall) sind
Kahlhiebe auch auf über 0,3 ha Fläche gestattet, sofern dann mind. 10 % des
Derbholzes auf der Fläche verbleibt.
7. Diversität an Totholz
Die Menge und die
Diversität von stehendem und liegendem Totholz soll erhöht werden.
8. Habitatbäume und Habitatbaumanwärter
Mindestens fünf
Habitatbäume oder Habitatbaumanwärter je Hektar sollen gekennzeichnet und
erhalten werden. Die Bäume müssen bis zur Zersetzung auf der Fläche verbleiben
und sind bis spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung auszuweisen.
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9. Rückegassen
Bei Neuanlage von
Rückegassen müssen die Abstände zwischen ihnen mindestens 30 Meter, bei
verdichtungsempfindlichen Böden mindestens 40 Meter betragen.
10. Düngung und Pflanzenschutzmittel
Auf Düngung und Pflanzenschutzmittel
muss vollständig verzichtet werden. Polterspritzungen sind lediglich in
begründeten Ausnahmefällen (z. B. zur Borkenkäferbekämpfung) erlaubt.
11. Wasserrückhaltung
Gegebenenfalls
bestehende Entwässerungsinfrastruktur (z. B. Entwässerungsgräben) muss
innerhalb von fünf Jahren ab der Antragsstellung zurückgebaut werden. Maßnahmen
zur Verringerung des Wasserabflusses aus dem Wald können zum Beispiel auch die
Förderung einer Humusauflage bzw. Bodenvegetation umfassen, welche eine
schnelle Ableitung von Niederschlägen in den Waldboden begünstigt und damit den
Oberflächenabfluss verringert.
12. Natürliche Waldentwicklung
Zur Gewährleistung
einer natürlichen Waldentwicklung wird eine Stilllegung auf 5 % der Waldfläche
erforderlich. Dies bedeutet einen Nutzungsverzicht im Stadtwald Bühl auf rund
118 Hektar. Die Einzelflächen müssen mindestens 0,3 ha groß sein.
Die Kriterien 1 bis 11 sind für 10 Jahre zu erfüllen, das Kriterium 12
(Flächenstilllegung) für 20 Jahre. Nach Ablauf dieser Bindungsfristen müssen
die Kriterien nicht mehr erfüllt werden.
Die Erfüllung der Kriterien wird über ein Zusatzmodul der
PEFC-Zertifizierung nachgewiesen. Hierfür fallen jährlich zusätzliche Kosten in
Höhe von 3,00 € je Hektar geförderte Fläche an (rd. 6.830 € je Jahr).
II. Auswirkungen
Bei Erfüllung der unter I. genannten Bedingungen werden sich
gleichermaßen bedeutsame Auswirkungen für den Stadtwald Bühl und den
Forstbetrieb ergeben. Hierbei handelt es sich insbesondere um folgende Punkte:
1. Nutzungsverzicht
Eine Flächenstilllegung
im produktiven Wald von 5 % würde beim derzeit geltenden Hiebsatz von rund
15.400 Erntefestmeter je Jahr einen Nutzungsverzicht von rund 770
Erntefestmeter je Jahr bedeuten. Durch eine Konzentration bei der Auswahl der
Stilllegungsflächen auf Bereiche, die bisher nicht oder kaum genutzt werden
bzw. in denen Nutzungen nicht oder kaum kostendeckend sind, kann dieser Verlust
möglichst minimiert werden. Hinzu kommt des Weiteren der finanziell nur schwer
kalkulierbare Nutzungsverzicht durch die Ausweisung von Habitatbäumen. Als
Habitatbäume sollen Bäume mit hohem ökologischem Wert ausgewählt werden.
Hierbei handelt es sich oftmals um Bäume mit geringerem wirtschaftlichen
Nutzen.
2. Arbeitssicherheit/Verkehrssicherung
Durch die
Ausweisung von Habitatbäumen auf der Fläche und im Bereich der Flächen mit
Nutzungsverzicht (Ziff. 1) kommt es mittelfristig zu einer Anreicherung von
stehendem Alt- und Totholz im Stadtwald. Dadurch steigt im Umfeld dieser Bäume
das potenzielle Unfallrisiko durch herabstürzende Äste oder umstürzende Bäume.
In diesem Zusammenhang sollte durch eine räumliche Konzentration der
Habitatbäume und deren umsichtige Auswahl versucht werden, das Risiko für die
Beschäftigten in der Holzernte, für Erholungssuchende und Verkehrsteilnehmende
bestmöglich zu reduzieren. Im Bereich der Flächenstilllegungen sind
Verkehrssicherungs- und Waldschutzmaßnahmen (z. B. Borkenkäferbekämpfung)
weiterhin möglich (zu entnehmende Bäume müssen bei Verkehrssicherungsmaßnahmen
auf der Fläche verbleiben).
3. Waldschutz
Sowohl bei den
Flächenstilllegungen als auch bei den Habitatbäumen könnte es durch die
Ausweisung in fichtenreichen Beständen zu einem erhöhten Waldschutzrisiko (u.
a. durch den Borkenkäfer) kommen. Daher sollte auf die Ausweisung von Stilllegungsflächen
und Fichten-Habitatbäumen in fichtenreichen Beständen verzichtet werden.
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4. Ausgleichsflächen/Förderung im Wald
Die durch die
Bundesförderung geförderten Flächen und Maßnahmen können nicht zusätzlich für
sonstige Ausgleichsmaßnahmen (z. B. Ökopunkte) verwendet oder durch andere
Förderprogramme, etwa des Landes Baden-Württemberg, gefördert werden.
III. Förderhöhe
Für den Stadtwald Bühl ergäbe sich für die rund 2.360,52 Hektar unter
Berücksichtigung der 77,9 ha Fläche des Ökokontos Falkenfelsen, die nicht
zuwendungsfähig sind, eine jährliche Förderung in den ersten 10 Jahren in
Höhe von voraussichtlich rund 67.000 € pro Jahr. Da der Bund die beabsichtigte
Freistellung des Förderprogramms von der De-Minimis-Regelung bei der EU bislang
noch nicht erhalten hat, kann es sein, dass die Fördersummen auf die
De-Minimis-Beihilfen anzurechnen sind, was in dem vorgenannten Betrag (67.000
€) berücksichtigt ist. Im Fall der De-Minimis-Regelung darf die Fördersumme
maximal 200.000 € in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren betragen. Ein
Verordnungsentwurf der EU-Kommission, zu welchem Mitte November 2022 eine
öffentliche Konsultation startete, sieht vor, den Höchstbetrag für
De-Minimis-Beihilfen auf 275.000 € anzuheben. Sollte die Freistellung entgegen
der Erwartung des Bundes von der EU nicht erteilt werden,
ist zumindest eine Erhöhung des Höchstbetrags für De-Minimis-Beihilfen
zu erwarten.
Für die Jahre 11-20 des Förderzeitraums läge die Förderung
voraussichtlich noch bei etwa 11.800 €/Jahr, da im Gegenzug auch nur noch
die Flächenstilllegung von den unter Ziff. I genannten Kriterien erfüllt werden
muss. Voraussetzung für die Gewährung der Förderung während des kompletten
Förderzeitraums ist stets, dass die unter Ziff. I genannten Kriterien
nachweislich eingehalten worden sind.
IV. Weitere Vorgehensweise
In Abstimmung mit der unteren Forstbehörde ist die Verwaltung der
Auffassung, dass eine Teilnahme am Förderprogramm Klimaangepasstes
Waldmanagement erfolgen sollte, da die Ausrichtung des Förderprogramms auch für
den Stadtwald Bühl hilfreiche Grundlagen mit sich bringen wird.
Die Erfüllung der unter Ziff. I genannten Kriterien würde im Falle einer
Teilnahme engmaschig von der unteren Forstbehörde sowie der erweiterten
PEFC-Zertifizierung durch Audits überprüft werden. Sollte sich in den kommenden
Jahren ergeben, dass die Kriterien (u. a. auf Grund der noch nicht bei allen
Kriterien abschließend bekannten Anforderungen) nicht oder nur mit
unverhältnismäßig hohem finanziellem Aufwand erreicht werden können, müsste
über eine Rückabwicklung des Förderprogramms nachgedacht werden. In diesem Fall
wären die erhaltenen Zuwendungen inkl. Zinsen zurückzuerstatten.
Auf Grund des Windhundprinzips der Fördermittelgewährung sollte jedoch
mit der Antragstellung nicht länger zugewartet werden und – wie zuvor
dargestellt – eine Rückabwicklung des Förderprogramms in Kauf genommen werden.
Zusammenfassend schlägt die Verwaltung eine Teilnahme am Förderprogramm
Klimaangepasstes Waldmanagement vor. Der Klima- und Umweltausschuss sollte die
Verwaltung in diesem Zusammenhang mit der Stellung des entsprechenden
Zuwendungsantrags und der weiteren Veranlassung beauftragen.
Finanzielle
Auswirkungen (inkl. Seitenzahl im Haushaltsplan)
Bei den augenblicklich geltenden Förderrichtlinien wird die Stadt Bühl in den kommenden 10 Jahren mit ca. 667.000 € unterstützt. Die finanziellen Auswirkungen (Mehraufwendungen und Mindererträge) durch die Förderauflagen können noch nicht exakt berechnet werden, liegen jedoch deutlich unter der möglichen Zuwendung.
Klimatische
Auswirkungen
Das Förderprogramm unterstützt die Waldbesitzenden in Deutschland bei den Herausforderungen des Klimawandels.