Betreff
Förderprogramm Klimaangepasstes Waldmanagement
Vorlage
2023/023
Art
Vorlage

Beschlussvorschlag

 

Der Klima- und Umweltausschuss stimmt der Teilnahme am Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ zu und beauftragt die Verwaltung mit der Stellung des entsprechenden Zuwendungsantrags sowie den weiteren notwendigen Schritten.

 


Sachverhalt

 

Im Jahr 2021 wurde auf Antrag die Nachhaltigkeitsprämie Wald (Bundeswaldprämie) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft einmalig für diejenigen Waldbesitzenden gewährt, die eine Nachhaltigkeitszertifizierung (z. B. über PEFC - Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes / Programm für die Anerkennung von Forstzertifizierungssystemen) nachweisen konnten. Hiervon konnte auch die Stadt Bühl mit einer Förderung in Höhe von 84.100 € profitieren.

 

Zwischenzeitlich hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Ende 2022 eine neue Fördermöglichkeit für Waldbesitzende in Deutschland zur Anpassung der Wälder an die Herausforderungen des Klimawandels aufgelegt. Hierbei handelt es sich um das Förderprogramm Klimaangepasstes Waldmanagement. Die Abwicklung des Förderprogramms läuft - wie bereits bei der Bundeswaldprämie - vollständig über die Förderinstitution des Bundes (Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe). Für die Förderung gilt das sogenannte Windhundprinzip, was bedeutet, dass ein begrenztes Fördervolumen (rund 27 Mio. € pro Jahr für Waldbesitzende aus Baden-Württemberg) in der Reihenfolge der eingegangenen Anträge bewilligt wird.

 

Noch sind viele Fragen offen. Daher bildet diese Information nur den aktuellen Stand der Kenntnis ab. Aktuelle Informationen sind erhältlich unter www.klimaanpassung-wald.de.

 

I. Bedingungen

Für Waldbesitzende mit einer Waldfläche über 100 Hektar sind die nachfolgenden Kriterien zu erfüllen:

1.      Vorausverjüngung

Altbestände sollen im Zuge einer Vorausverjüngung (Verjüngung unter dem Altbestand) in die nächste Bestandsgeneration überführt werden (5 bis 7 Jahre vor der Ernte des Ausgangsbestandes).

2.      Naturverjüngung

Die Naturverjüngung von klimaresistenten, überwiegend standortheimischen Baumarten soll Vorrang vor der Pflanzung haben.

3.      Künstliche Verjüngung

Bei Pflanzungen sind überwiegend standortheimische Baumarten zu verwenden.

4.      Natürliche Waldentwicklung

Bei kleinflächigen Bestandslücken bis 0,3 ha, die durch Störungen wie Sturmwurf oder Dürre entstehen, soll die natürliche Entwicklung (Sukzession) zugelassen werden.

5.      Baumartendiversität

Die klimaresistente, standortheimische Baumartendiversität soll durch Einbringung von Mischbaumarten erhalten und falls erforderlich erweitert werden.

6.      Verzicht auf Kahlhiebe

Auf Kahlhiebe über 0,3 ha Fläche ist bei planmäßiger Verjüngung zu verzichten. Bei Nutzung von absterbenden Bäumen müssen 10 % des Holzes auf der Fläche verbleiben. Bei Zwangsnutzungen aufgrund von Kalamitäten (z. B. Sturm, Borkenkäferbefall) sind Kahlhiebe auch auf über 0,3 ha Fläche gestattet, sofern dann mind. 10 % des Derbholzes auf der Fläche verbleibt.

7.      Diversität an Totholz

Die Menge und die Diversität von stehendem und liegendem Totholz soll erhöht werden.

8.      Habitatbäume und Habitatbaumanwärter

Mindestens fünf Habitatbäume oder Habitatbaumanwärter je Hektar sollen gekennzeichnet und erhalten werden. Die Bäume müssen bis zur Zersetzung auf der Fläche verbleiben und sind bis spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung auszuweisen.

 

 

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9.      Rückegassen

Bei Neuanlage von Rückegassen müssen die Abstände zwischen ihnen mindestens 30 Meter, bei verdichtungsempfindlichen Böden mindestens 40 Meter betragen.

10.   Düngung und Pflanzenschutzmittel

Auf Düngung und Pflanzenschutzmittel muss vollständig verzichtet werden. Polterspritzungen sind lediglich in begründeten Ausnahmefällen (z. B. zur Borkenkäferbekämpfung) erlaubt.

11.   Wasserrückhaltung

Gegebenenfalls bestehende Entwässerungsinfrastruktur (z. B. Entwässerungsgräben) muss innerhalb von fünf Jahren ab der Antragsstellung zurückgebaut werden. Maßnahmen zur Verringerung des Wasserabflusses aus dem Wald können zum Beispiel auch die Förderung einer Humusauflage bzw. Bodenvegetation umfassen, welche eine schnelle Ableitung von Niederschlägen in den Waldboden begünstigt und damit den Oberflächenabfluss verringert.

12.   Natürliche Waldentwicklung

Zur Gewährleistung einer natürlichen Waldentwicklung wird eine Stilllegung auf 5 % der Waldfläche erforderlich. Dies bedeutet einen Nutzungsverzicht im Stadtwald Bühl auf rund 118 Hektar. Die Einzelflächen müssen mindestens 0,3 ha groß sein.

 

Die Kriterien 1 bis 11 sind für 10 Jahre zu erfüllen, das Kriterium 12 (Flächenstilllegung) für 20 Jahre. Nach Ablauf dieser Bindungsfristen müssen die Kriterien nicht mehr erfüllt werden.

 

Die Erfüllung der Kriterien wird über ein Zusatzmodul der PEFC-Zertifizierung nachgewiesen. Hierfür fallen jährlich zusätzliche Kosten in Höhe von 3,00 € je Hektar geförderte Fläche an (rd. 6.830 € je Jahr).

 

II. Auswirkungen

Bei Erfüllung der unter I. genannten Bedingungen werden sich gleichermaßen bedeutsame Auswirkungen für den Stadtwald Bühl und den Forstbetrieb ergeben. Hierbei handelt es sich insbesondere um folgende Punkte:

1.      Nutzungsverzicht

Eine Flächenstilllegung im produktiven Wald von 5 % würde beim derzeit geltenden Hiebsatz von rund 15.400 Erntefestmeter je Jahr einen Nutzungsverzicht von rund 770 Erntefestmeter je Jahr bedeuten. Durch eine Konzentration bei der Auswahl der Stilllegungsflächen auf Bereiche, die bisher nicht oder kaum genutzt werden bzw. in denen Nutzungen nicht oder kaum kostendeckend sind, kann dieser Verlust möglichst minimiert werden. Hinzu kommt des Weiteren der finanziell nur schwer kalkulierbare Nutzungsverzicht durch die Ausweisung von Habitatbäumen. Als Habitatbäume sollen Bäume mit hohem ökologischem Wert ausgewählt werden. Hierbei handelt es sich oftmals um Bäume mit geringerem wirtschaftlichen Nutzen.

2.      Arbeitssicherheit/Verkehrssicherung

Durch die Ausweisung von Habitatbäumen auf der Fläche und im Bereich der Flächen mit Nutzungsverzicht (Ziff. 1) kommt es mittelfristig zu einer Anreicherung von stehendem Alt- und Totholz im Stadtwald. Dadurch steigt im Umfeld dieser Bäume das potenzielle Unfallrisiko durch herabstürzende Äste oder umstürzende Bäume. In diesem Zusammenhang sollte durch eine räumliche Konzentration der Habitatbäume und deren umsichtige Auswahl versucht werden, das Risiko für die Beschäftigten in der Holzernte, für Erholungssuchende und Verkehrsteilnehmende bestmöglich zu reduzieren. Im Bereich der Flächenstilllegungen sind Verkehrssicherungs- und Waldschutzmaßnahmen (z. B. Borkenkäferbekämpfung) weiterhin möglich (zu entnehmende Bäume müssen bei Verkehrssicherungsmaßnahmen auf der Fläche verbleiben).

3.      Waldschutz

Sowohl bei den Flächenstilllegungen als auch bei den Habitatbäumen könnte es durch die Ausweisung in fichtenreichen Beständen zu einem erhöhten Waldschutzrisiko (u. a. durch den Borkenkäfer) kommen. Daher sollte auf die Ausweisung von Stilllegungsflächen und Fichten-Habitatbäumen in fichtenreichen Beständen verzichtet werden.

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4.      Ausgleichsflächen/Förderung im Wald

Die durch die Bundesförderung geförderten Flächen und Maßnahmen können nicht zusätzlich für sonstige Ausgleichsmaßnahmen (z. B. Ökopunkte) verwendet oder durch andere Förderprogramme, etwa des Landes Baden-Württemberg, gefördert werden.

 

III. Förderhöhe

Für den Stadtwald Bühl ergäbe sich für die rund 2.360,52 Hektar unter Berücksichtigung der 77,9 ha Fläche des Ökokontos Falkenfelsen, die nicht zuwendungsfähig sind, eine jährliche Förderung in den ersten 10 Jahren in Höhe von voraussichtlich rund 67.000 € pro Jahr. Da der Bund die beabsichtigte Freistellung des Förderprogramms von der De-Minimis-Regelung bei der EU bislang noch nicht erhalten hat, kann es sein, dass die Fördersummen auf die De-Minimis-Beihilfen anzurechnen sind, was in dem vorgenannten Betrag (67.000 €) berücksichtigt ist. Im Fall der De-Minimis-Regelung darf die Fördersumme maximal 200.000 € in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren betragen. Ein Verordnungsentwurf der EU-Kommission, zu welchem Mitte November 2022 eine öffentliche Konsultation startete, sieht vor, den Höchstbetrag für De-Minimis-Beihilfen auf 275.000 € anzuheben. Sollte die Freistellung entgegen der Erwartung des Bundes von der EU nicht erteilt werden, ist zumindest eine Erhöhung des Höchstbetrags für De-Minimis-Beihilfen zu erwarten.

 

Für die Jahre 11-20 des Förderzeitraums läge die Förderung voraussichtlich noch bei etwa 11.800 €/Jahr, da im Gegenzug auch nur noch die Flächenstilllegung von den unter Ziff. I genannten Kriterien erfüllt werden muss. Voraussetzung für die Gewährung der Förderung während des kompletten Förderzeitraums ist stets, dass die unter Ziff. I genannten Kriterien nachweislich eingehalten worden sind.

 

IV. Weitere Vorgehensweise

In Abstimmung mit der unteren Forstbehörde ist die Verwaltung der Auffassung, dass eine Teilnahme am Förderprogramm Klimaangepasstes Waldmanagement erfolgen sollte, da die Ausrichtung des Förderprogramms auch für den Stadtwald Bühl hilfreiche Grundlagen mit sich bringen wird.

 

Die Erfüllung der unter Ziff. I genannten Kriterien würde im Falle einer Teilnahme engmaschig von der unteren Forstbehörde sowie der erweiterten PEFC-Zertifizierung durch Audits überprüft werden. Sollte sich in den kommenden Jahren ergeben, dass die Kriterien (u. a. auf Grund der noch nicht bei allen Kriterien abschließend bekannten Anforderungen) nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem finanziellem Aufwand erreicht werden können, müsste über eine Rückabwicklung des Förderprogramms nachgedacht werden. In diesem Fall wären die erhaltenen Zuwendungen inkl. Zinsen zurückzuerstatten.

 

Auf Grund des Windhundprinzips der Fördermittelgewährung sollte jedoch mit der Antragstellung nicht länger zugewartet werden und – wie zuvor dargestellt – eine Rückabwicklung des Förderprogramms in Kauf genommen werden.

 

Zusammenfassend schlägt die Verwaltung eine Teilnahme am Förderprogramm Klimaangepasstes Waldmanagement vor. Der Klima- und Umweltausschuss sollte die Verwaltung in diesem Zusammenhang mit der Stellung des entsprechenden Zuwendungsantrags und der weiteren Veranlassung beauftragen.

 

 


Finanzielle Auswirkungen (inkl. Seitenzahl im Haushaltsplan)

 

Bei den augenblicklich geltenden Förderrichtlinien wird die Stadt Bühl in den kommenden 10 Jahren mit ca. 667.000 € unterstützt. Die finanziellen Auswirkungen (Mehraufwendungen und Mindererträge) durch die Förderauflagen können noch nicht exakt berechnet werden, liegen jedoch deutlich unter der möglichen Zuwendung.

 


Klimatische Auswirkungen

 

Das Förderprogramm unterstützt die Waldbesitzenden in Deutschland bei den Herausforderungen des Klimawandels.