II. Beschlussvorschlag:
Der
Gemeinderat beschließt, für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem
01.01.2021 ausgeführten Leistungen der Stadt Bühl weiterhin den § 2 Abs. 3 UStG
in der am 31.12.2015 geltenden Fassung anzuwenden. Die Verwaltung wird beauftragt,
die entsprechende Optionserklärung gemäß § 27 Abs. 22 UStG bis spätestens
31.12.2016 gegenüber dem Finanzamt Baden-Baden abzugeben. Außerdem wird die
Verwaltung beauftragt, die einer möglichen Umsatzsteuerpflicht zu
unterwerfenden Tätigkeiten auf die sich hieraus ergebenden Folgen
(Vor-/Nachteile) zu untersuchen und zum nächstmöglichen Zeitpunkt hierüber
wieder zu berichten.
I. Sachverhalt:
Nach
bisher geltendem Recht sind juristische Personen des öffentlichen Rechts
(j.P.d.ö.R.) wie bspw. Städte und Gemeinden bislang keine Unternehmer im
steuerlichen Sinne, weil die Wahrnehmung der öffentlichen Gewalt (hoheitliche
Aufgabe) nicht als unternehmerische Tätigkeit gilt. Sie unterliegen deshalb
nicht der Umsatzsteuer.
Nur
im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art nach § 1 (1) Nr. 6 i.V.m. § 4
Körper-schaftsteuergesetz (KStG) sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen
Betriebe sind j.P.d.ö.R. unternehmerisch tätig. Die daraus erzielten Umsätze
sind demnach steuerbar und steuerpflichtig (§ 2 (3) S. 1 UStG). Diese
Steuerpflicht ergibt sich bislang aber nicht unmittelbar aus dem
Umsatzsteuerrecht, sondern indirekt aus dem Körperschaftsteuerrecht.
Die
bisherige Koppelung der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung an
körperschaft-steuerliche Vorgaben ist jedoch mit geltendem EU-Recht nicht
vereinbar. So gibt die gemeinschaftsrechtlich maßgebliche
Mehrwertsteuersystemrichtlinie in Art. 13 vor, dass die Nichtsteuerbarkeit der
Leistungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt entfällt, wenn die
Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Demzufolge
hat jeder private Unternehmer die Möglichkeit, der mit einer Einrichtung des öffentlichen
Rechts im Wettbewerb steht, gegen diese unzulässige Bevorteilung vorzugehen.
Darauf
hat der Gesetzgeber mit dem Steueränderungsgesetz vom 02.11.2015 reagiert und
die bisherige Regelung zur Unternehmereigenschaft (§ 2 (3) UStG) aufgehoben.
Die Umsatzbesteuerung der j.P.d.ö.R. wurde in § 2b UStG neu geregelt und
insbesondere die Rechtsprechung des BFHs zu Wettbewerbskriterien präzisiert.
Dadurch sind Städte und Gemeinden zukünftig nicht nur im Rahmen ihrer Betriebe
gewerblicher Art umsatzsteuerpflichtig, sondern z.B. auch im Rahmen der
Vermögensverwaltung wie der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und
Gebäuden.
Im
Wesentlichen unterscheidet der neue § 2b UStG zwei Konstellationen:
1. Einstufung
als unternehmerisch und damit
umsatzsteuerbar:
jede
Tätigkeit von j.P.d.ö.R. auf privatrechtlicher Grundlage
2. Einstufung
als nicht unternehmerisch und damit
nicht umsatzsteuerbar:
jede Tätigkeit von
j.P.d.ö.R. auf öffentlich-rechtlicher Grundlage im Rahmen der Ausübung
öffentlicher Gewalt, falls keine Wettbewerbsverzerrungen vorliegen.
Das
Kernproblem ist jedoch, dass Begriffe wie beispielsweise „öffentliche Gewalt“
oder „größere Wettbewerbsverzerrung“ in der neuen Rechtsvorschrift nicht
definiert werden. Aus § 2b (2) UStG lässt sich nur entnehmen, wann keine größeren Wettbewerbsverzerrungen
vorliegen:
- Der Jahresumsatz aus
gleichartigen Tätigkeiten beträgt
maximal 17.500 €;
- bei vergleichbaren, umsatzsteuerbefreiten Leistungen,
die auf privatrechtlicher Grundlage
erbracht werden. Ausgenommen davon sind Leistungen mit Recht auf
Verzicht der Steuerbefreiung wie z.B. die Vermietung und Verpachtung von
Grundstücken und Gebäuden.
Im
Umkehrschluss zu vorgenannten Regelungen sind Tätigkeiten privatrechtlicher
Vereinbarungen ohne Mindestumsatz stets unternehmerisch und damit
umsatzsteuerbar. Da es sich außerdem um keine abschließende Aufzählung handelt,
könnten weitere Fälle unter diese Regelung fallen. Ein erläuterndes
Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums zu den unbestimmten
Rechtsbegriffen steht jedoch bis heute noch aus und wird nicht vor Jahresmitte
2017 erwartet.
Da
die Neuregelung der Umsatzbesteuerung gerade bei Kommunen weitreichende
finanzielle Folgen aufgrund zusätzlicher
Steuerbelastung haben kann und deshalb im Einzelfall genau betrachtet werden
muss, wurde eine Übergangsregelung geschaffen. Diese Regelung ermöglicht es,
die bisherige Rechtslage bis längstens zum 31.12.2020 beizubehalten. Dafür ist
bis spätestens zum 31.12.2016 einheitlich für alle Leistungen der j.P.d.ö.R.
eine Erklärung gegenüber dem zuständigen Finanzamt abzugeben. Sie kann einmalig
mit Wirkung vom Beginn eines auf die Erklärung folgenden Kalenderjahres
widerrufen werden. Eine Beschränkung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder
Leistungen ist nicht zulässig. Wird keine Optionserklärung abgegeben, gelten die
Neuregelungen endgültig und unumkehrbar ab dem 01.01.2017.
Die
Verwaltung schlägt deshalb vor, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und
die Übergangsregelung zunächst bis zum längst möglichen Zeitpunkt, also
31.12.2020, zu beantragen. Im kommenden Jahr sollen sämtliche, bislang von der
Umsatzbesteuerung ausgenommenen Bereiche innerhalb der Stadtverwaltung auf die
Vor- und Nachteile dieser neuen Umsatzsteuervorschrift hin überprüft werden. Je
nach Ergebnis dieser Prüfung kann dann entschieden werden, ob die
Übergangsregelung vorzeitig beendet werden oder bis zum 31.12.2020 fortbestehen
sollte.
Wo
es der Verwaltung als vorteilhaft erschien und es rechtlich zulässig war, wurde
nach bisherigem Recht mit den folgenden Betrieben gewerblicher Art schon zur
Umsatzsteuerpflicht optiert:
Ø
Bürgerhaus Neuer Markt
Ø
Sport- und Mehrzweckhallen (Weststadthalle,
Aloys-Schreiber-Turnhalle, Bachschlosshalle, Reblandhalle Altschweier,
Turnhalle Altschweier, Schartenberghalle Eisental, Schlossberghalle Neusatz,
Tullahalle Vimbuch, Rheintalhalle Weitenung, Haus Harmonie Balzhofen,
Karl-Reinfried-Halle Moos)
Ø
Parkraumbewirtschaftung
Ø
Zwetschgenfest
Ø
Forstwirtschaft
Ø
Tourist-Information
Ø
Bühler Leistungsschau
Ø
Grundbuchamt (Ratschreibertätigkeit)
Daneben
ist die Stadt Bühl mit ihren unternehmerisch tätigen Eigengesellschaften
(GmbHs) ohnehin schon umsatzsteuerpflichtig. Durch die nun mögliche Ausweitung
der Umsatzsteuerpflicht auf bisher rein hoheitliche Tätigkeiten wie z.B. der
Kleinkindbetreuung kann es wegen den negativen Folgen von Vorteil sein, die
Optionserklärung möglichst lange aufrecht zu erhalten. So unterlägen bereits ab
dem 01.01.2017 auch die Benutzungsentgelte der Kindergärten zumindest teilweise
der Umsatzsteuer in Höhe von 19%, sofern die vorstehend beschriebenen Voraussetzungen
des § 2b UStG erfüllt sind. Dasselbe könnte beispielsweise auch für Leistungen
des Bauhofs gelten, sofern mit privaten Dritten in Wettbewerb getreten wird
z.B. im Rahmen des Winterdiensts oder Friedhofspflege.
Die
Abgabe der Optionserklärung ist nach Ansicht des Städte- und Gemeindetags kein
Geschäft der laufenden Verwaltung und obliegt daher dem Gemeinderat.
Beratungsergebnis
Abstimmung/Wahl |
laut Beschluss- vorschlag |
Abweichender Beschluss |
||
Ja |
Nein |
Enthalten |
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Anlagenverzeichnis: