Betreff
Neuregelung zur Besteuerung der öffentlichen Hand gem. § 2b Umsatzsteuergesetz, Optionserklärung zur Fristverlängerung
Vorlage
VO/487/2016
Art
Vorlage

II. Beschlussvorschlag:

Der Gemeinderat beschließt, für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführten Leistungen der Stadt Bühl weiterhin den § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung anzuwenden. Die Verwaltung wird beauftragt, die entsprechende Optionserklärung gemäß § 27 Abs. 22 UStG bis spätestens 31.12.2016 gegenüber dem Finanzamt Baden-Baden abzugeben. Außerdem wird die Verwaltung beauftragt, die einer möglichen Umsatzsteuerpflicht zu unterwerfenden Tätigkeiten auf die sich hieraus ergebenden Folgen (Vor-/Nachteile) zu untersuchen und zum nächstmöglichen Zeitpunkt hierüber wieder zu berichten.

 

 

 


I. Sachverhalt:

Nach bisher geltendem Recht sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (j.P.d.ö.R.) wie bspw. Städte und Gemeinden bislang keine Unternehmer im steuerlichen Sinne, weil die Wahrnehmung der öffentlichen Gewalt (hoheitliche Aufgabe) nicht als unternehmerische Tätigkeit gilt. Sie unterliegen deshalb nicht der Umsatzsteuer.

 

Nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art nach § 1 (1) Nr. 6 i.V.m. § 4 Körper-schaftsteuergesetz (KStG) sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sind j.P.d.ö.R. unternehmerisch tätig. Die daraus erzielten Umsätze sind demnach steuerbar und steuerpflichtig (§ 2 (3) S. 1 UStG). Diese Steuerpflicht ergibt sich bislang aber nicht unmittelbar aus dem Umsatzsteuerrecht, sondern indirekt aus dem Körperschaftsteuerrecht.

 

Die bisherige Koppelung der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung an körperschaft-steuerliche Vorgaben ist jedoch mit geltendem EU-Recht nicht vereinbar. So gibt die gemeinschaftsrechtlich maßgebliche Mehrwertsteuersystemrichtlinie in Art. 13 vor, dass die Nichtsteuerbarkeit der Leistungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt entfällt, wenn die Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Demzufolge hat jeder private Unternehmer die Möglichkeit, der mit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts im Wettbewerb steht, gegen diese unzulässige Bevorteilung vorzugehen.

 

Darauf hat der Gesetzgeber mit dem Steueränderungsgesetz vom 02.11.2015 reagiert und die bisherige Regelung zur Unternehmereigenschaft (§ 2 (3) UStG) aufgehoben. Die Umsatzbesteuerung der j.P.d.ö.R. wurde in § 2b UStG neu geregelt und insbesondere die Rechtsprechung des BFHs zu Wettbewerbskriterien präzisiert. Dadurch sind Städte und Gemeinden zukünftig nicht nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art umsatzsteuerpflichtig, sondern z.B. auch im Rahmen der Vermögensverwaltung wie der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Gebäuden.

 

Im Wesentlichen unterscheidet der neue § 2b UStG zwei Konstellationen:

 

1.  Einstufung als unternehmerisch und damit umsatzsteuerbar:

jede Tätigkeit von j.P.d.ö.R. auf privatrechtlicher Grundlage

 

2.  Einstufung als nicht unternehmerisch und damit nicht umsatzsteuerbar:

jede Tätigkeit von j.P.d.ö.R. auf öffentlich-rechtlicher Grundlage im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt, falls keine Wettbewerbsverzerrungen vorliegen.

 

Das Kernproblem ist jedoch, dass Begriffe wie beispielsweise „öffentliche Gewalt“ oder „größere Wettbewerbsverzerrung“ in der neuen Rechtsvorschrift nicht definiert werden. Aus § 2b (2) UStG lässt sich nur entnehmen, wann keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vorliegen:

 

  1. Der Jahresumsatz aus gleichartigen Tätigkeiten beträgt maximal 17.500 €;

 

  1. bei vergleichbaren, umsatzsteuerbefreiten Leistungen, die auf privatrechtlicher Grundlage erbracht werden. Ausgenommen davon sind Leistungen mit Recht auf Verzicht der Steuerbefreiung wie z.B. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Gebäuden.

 

Im Umkehrschluss zu vorgenannten Regelungen sind Tätigkeiten privatrechtlicher Vereinbarungen ohne Mindestumsatz stets unternehmerisch und damit umsatzsteuerbar. Da es sich außerdem um keine abschließende Aufzählung handelt, könnten weitere Fälle unter diese Regelung fallen. Ein erläuterndes Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums zu den unbestimmten Rechtsbegriffen steht jedoch bis heute noch aus und wird nicht vor Jahresmitte 2017 erwartet.

 

Da die Neuregelung der Umsatzbesteuerung gerade bei Kommunen weitreichende finanzielle Folgen aufgrund  zusätzlicher Steuerbelastung haben kann und deshalb im Einzelfall genau betrachtet werden muss, wurde eine Übergangsregelung geschaffen. Diese Regelung ermöglicht es, die bisherige Rechtslage bis längstens zum 31.12.2020 beizubehalten. Dafür ist bis spätestens zum 31.12.2016 einheitlich für alle Leistungen der j.P.d.ö.R. eine Erklärung gegenüber dem zuständigen Finanzamt abzugeben. Sie kann einmalig mit Wirkung vom Beginn eines auf die Erklärung folgenden Kalenderjahres widerrufen werden. Eine Beschränkung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen ist nicht zulässig. Wird keine Optionserklärung abgegeben, gelten die Neuregelungen endgültig und unumkehrbar ab dem 01.01.2017.

 

Die Verwaltung schlägt deshalb vor, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Übergangsregelung zunächst bis zum längst möglichen Zeitpunkt, also 31.12.2020, zu beantragen. Im kommenden Jahr sollen sämtliche, bislang von der Umsatzbesteuerung ausgenommenen Bereiche innerhalb der Stadtverwaltung auf die Vor- und Nachteile dieser neuen Umsatzsteuervorschrift hin überprüft werden. Je nach Ergebnis dieser Prüfung kann dann entschieden werden, ob die Übergangsregelung vorzeitig beendet werden oder bis zum 31.12.2020 fortbestehen sollte.

 

Wo es der Verwaltung als vorteilhaft erschien und es rechtlich zulässig war, wurde nach bisherigem Recht mit den folgenden Betrieben gewerblicher Art schon zur Umsatzsteuerpflicht optiert:

 

Ø Bürgerhaus Neuer Markt

Ø Sport- und Mehrzweckhallen (Weststadthalle, Aloys-Schreiber-Turnhalle, Bachschlosshalle, Reblandhalle Altschweier, Turnhalle Altschweier, Schartenberghalle Eisental, Schlossberghalle Neusatz, Tullahalle Vimbuch, Rheintalhalle Weitenung, Haus Harmonie Balzhofen, Karl-Reinfried-Halle Moos)

Ø Parkraumbewirtschaftung

Ø Zwetschgenfest

Ø Forstwirtschaft

Ø Tourist-Information

Ø Bühler Leistungsschau

Ø Grundbuchamt (Ratschreibertätigkeit)

 

Daneben ist die Stadt Bühl mit ihren unternehmerisch tätigen Eigengesellschaften (GmbHs) ohnehin schon umsatzsteuerpflichtig. Durch die nun mögliche Ausweitung der Umsatzsteuerpflicht auf bisher rein hoheitliche Tätigkeiten wie z.B. der Kleinkindbetreuung kann es wegen den negativen Folgen von Vorteil sein, die Optionserklärung möglichst lange aufrecht zu erhalten. So unterlägen bereits ab dem 01.01.2017 auch die Benutzungsentgelte der Kindergärten zumindest teilweise der Umsatzsteuer in Höhe von 19%, sofern die vorstehend beschriebenen Voraussetzungen des § 2b UStG erfüllt sind. Dasselbe könnte beispielsweise auch für Leistungen des Bauhofs gelten, sofern mit privaten Dritten in Wettbewerb getreten wird z.B. im Rahmen des Winterdiensts oder Friedhofspflege.

 

Die Abgabe der Optionserklärung ist nach Ansicht des Städte- und Gemeindetags kein Geschäft der laufenden Verwaltung und obliegt daher dem Gemeinderat.

 

 


 

Beratungsergebnis Abstimmung/Wahl

 

laut Beschluss-

vorschlag

Abweichender

Beschluss

Ja

Nein

Enthalten

 

 

 

 

 

 


Anlagenverzeichnis: