Betreff
Interkommunale Zusammenarbeit durch Bildung eines Gemein-samen Gutachterausschusses „Südlicher Landkreis Rastatt“ nach den Vorschriften des Gesetzes über kommunale Zusam-menarbeit (§§ 1,25 GKZ)
Vorlage
VO/854/2018
Art
Vorlage

III. Beschlussvorschlag:

Der Gemeinderat der Stadt Bühl nimmt Kenntnis über die Bildung eines Gemeinsamen Gutachterausschusses „Südlicher Landkreis Rastatt“ und beauftragt die Verwaltung

 

a)    Gespräche mit der Stadt Lichtenau und den Gemeinden Bühlertal, Hügelsheim, Iffezheim, Ottersweier, Rheinmünster und Sinzheim (sogenannte Südschiene) über den Zusammenschluss zu einem gemeinsamen Gutachterausschuss zu führen und

b)    eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung über die Bildung und Erfüllung der Aufgaben des Gemeinsamen Gutachterausschusses „Südlicher Landkreis Rastatt“ auszuarbeiten.

 

 

Das Ergebnis der Gespräche mit den genannten Kommunen sowie die öffentlich-rechtliche Vereinbarung werden dem Gemeinderat der Stadt Bühl zur Beschlussfassung vorgelegt.

 

 


I. Sachverhalt:

Der mit Einrichtung der Gutachterausschüsse vor über 50 Jahren verfolgte Grundgedanke einer unabhängigen Marktbeobachtung bei Immobilien ist aktueller denn je. Die Kernaufgabe, Erfassung und fachliche Analyse aller notariell beurkundeten Kaufverträge von Immobilien (Führung der Kaufpreissammlung) ist nahezu unverändert geblieben. Dem gegenüber haben sich Art und Umfang der daraus abgeleiteten Informationen und das Interesse des Immobilienmarktes an verlässlichem Zahlenmaterial in den letzten 50 Jahren kontinuierlich gesteigert.

 

Die Gutachterausschüsse sind im Sinne des Baugesetzbuchs als eigenständige Behörde anzusehen. Dies ergibt sich aus § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Baden-Württembergs, wonach eine Behörde eine Stelle ist, welche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Der Gutachterausschuss wird im Rahmen der durch § 193 BauGB zugewiesenen Aufgaben überwiegend hoheitlich tätig. Die Zuständigkeit für die Aufgaben des Gutachterausschusses, ist allerdings je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. In Bayern und Hessen beispielsweise gibt es je Landkreis einen Gutachterausschuss, in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen einen je Vermessungsbehörde.

Nur in Baden-Württemberg sind die Gemeinden zuständig. Aufgrund dieser kommunalen Zuständigkeit gibt es sehr große Anzahl von Gutachterausschüssen (ca. 900), während es im übrigen Bundesgebiet ca. 300 sind. Insbesondere Gutachterausschüsse in kleineren Kommunen können die gesetzlichen Aufgaben weder vollständig noch in der erforderlichen Qualität erfüllen, da die Zahl der Kauffälle zu gering ist und damit keine ausreichende Basis für die Ableitung der Wertermittlungsdaten vorliegt. Die Folge ist eine nicht flächendeckend den fachlichen Anforderungen genügende Datenlage im Land.

 

Hinzu kommt, dass das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuerrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz) vom 24. Dezember 2008 mit seinen Regelungen im Bewer-tungsgesetz und im Bereich des Wertermittlungsrechts des BauGB Auswirkungen auf die amtliche Grundstückswertermittlung und insbesondere auf die Gutachterausschüsse hat. Die Ermittlung der Bodenrichtwerte und der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten wurde an die Erfordernisse der Finanzverwaltung angepasst. In der Folge haben die Gutachterausschüsse nun als zentrale Aufgabe verstärkt für Zwecke der steuerlichen Bewertung wesentliche und maßgebende Grundlagen bereitzustellen. Die gesetzlichen Anforderungen dafür sind in diesem Zuge angestiegen. Nach dem Bundesrecht sind konkrete Daten abzulei-ten und regelmäßig der Finanzverwaltung mitzuteilen.

 

Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht die Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer in Westdeutschland mit Urteil vom 10. April 2018 für verfassungswidrig erklärt. Es wird eine andere Bewertungsmethode zu erarbeiten sein, bei der den Bodenrichtwerten ein wesentlich größeres Gewicht zugesprochen werden wird.

- 2 -

 

Der Bundesgesetzgeber wird rasch zum Handeln aufgefordert werden, um ein rechtssicheres System der Grundstücksbewertung für die Grundsteuer auf den Weg zu bringen. Dies bedeutet wiederum, dass die Bodenrichtwerte rechtskonform ermittelt werden bzw. die Wertermittlungen rechtssicher durchgeführt werden müssen.

 

Weiter erschwerend für die Aufgabenerfüllung der Gutachterausschüsse und deren Geschäftsstellen sind gravierende Änderungen im Bereich der Grundstückswertermittlung in den letzten Jahren:

 

• Änderung Baugesetzbuch (2009)

• Neue Immobilienwertermittlungsverordnung (2010)

• Neue Bodenrichtwertrichtlinie (2010)

• Neue Sachwertrichtlinie (2011)

• Neue Vergleichswert-Richtlinie (2014)

• Neue Ertragswert-Richtlinie (2015)

 

Die vorhandene dezentrale Struktur der Gutachterausschüsse und der Geschäftsstellen in Baden-Württemberg bedeutet, dass für die Aufgabenerfüllung vor Ort die entsprechende personelle, technische und organisatorische Infrastruktur vorgehalten werden müsste. Zudem muss –um diesen gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden- der Zugriff der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses auf eine ausreichende Zahl aus auswertbaren Kauffällen möglich sein.

 

Eine Umfrage des Ministeriums Ländlicher Raum und Verbraucherschutz (MLR) bei den Gutachterausschüssen hat ergeben, dass sie in ihrer jetzigen Form den Anforderungen zumeist nicht genügen und es flächendeckend gravierende Mängel bei der Aufgabenerfüllung gibt. Das MLR hat deshalb die Novellierung der Gutachterausschussverordnung ins Auge gefasst, wobei das Gutachterausschusswesen in kommunaler Verantwortung bleibt und nicht auf die Landkreise übergehen soll.

 

Mit der am 11. Oktober 2017 in Kraft getretenen novellierten Gutachterausschussverordnung (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GuAVO) wird benachbarten Gemeinden innerhalb eines Landkreises nunmehr die Möglichkeit zur Bildung leistungsfähiger Einheiten für eine sachgerechte und bessere Aufgabenerfüllung gegeben (Gemeinsamer Gutachterausschuss). Der Zusammenschluss erfolgt dabei auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung.

Mit der Bildung eines gemeinsamen Gutachterausschusses soll ein Zuständigkeitsbereich entstehen, in dem das Aufkommen an Kauffällen vergrößert wird, um die fachliche Herleitung der Wertermittlungsdaten und eine darauf aufbauende Erstellung eines Grundstücksmarktberichtes zu verbessern sowie die Einrichtung einer ausreichend ausgestatteten Geschäftsstelle zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1a GuAVO). Um eine deutliche Verbesserung zu erreichen wird von einer Richtgröße von ca. 1.000 auswertbaren Kauffällen pro Jahr ausgegangen.

 

 

 

 

 

 

- 3 -

 

Durch einen Zusammenschluss der Gutachterausschüsse der Städte Bühl und Lichtenau sowie der Gemeinden Bühlertal, Hügelsheim, Iffezheim, Ottersweier, Rheinmünster und Sinzheim (sogenannte Südschiene) zu einem „Gemeinsamen Gutachterausschuss Südlicher Landkreis Rastatt“ würde, aufgrund der Zugriffsmöglichkeit auf ca. 1.200 bis 1.300 Kaufverträge pro Jahr, eine ausreichende Basis für die dringend notwendige Ableitung der gesetzlich vorgeschriebenen Wertermittlungsdaten geschaffen. Dies wiederum würde zu einer deutlichen Verbesserung der Qualität und damit zu einer höheren Rechtssicherheit der zu erstellenden Verkehrswertgutachten führen. Der Gemeinsame Gutachterausschuss Südlicher Landkreis Rastatt und seine Geschäftsstelle werden bei der Stadt Bühl (als zuständige Stelle) eingerichtet.

 

Kosten

 

Den Städten und Gemeinden entstehen durch den Zusammenschluss keine höheren Kosten gegenüber den Kosten, die entstehen, wenn die Aufgaben nach dem BauGB voll erfüllt würden. Durch die entsprechende Kooperation in Form des Zusammenschlusses der Gutachterausschüsse werden sogar Synergieeffekte erwartet. Nach § 1 Abs. 1a der Gutachterausschussverordnung ist u.a. für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung des Gutachterausschusses eine geeignete Personal- und Sachmittelausstattung erforderlich.

Nach Auswertungen aus größeren Städten, bei denen die Aufgaben nach dem BauGB voll erfüllt werden sowie Personalbedarfsberechnungen ist eine sachgerechte und vollständige Aufgabenerfüllung bei ca. 0,5 Stellen je 10.000 Einwohner gegeben. Bei 76.772 Einwohnern im südlichen Landkreis Rastatt ergibt das rd. 3,8 Stellen.

 

Kalkuliert werden die Personalkosten (gem. KGSt-Bericht 16/2015 –Kosten eines Arbeitsplatzes-) zunächst für 3,0 Stellen:

 

Geschätzte Kosten im Jahr

-        Personalkosten                                                         ca. 214.000 €

-        Entschädigungen Gutachter                                     ca.   15.000 €

-        Sachkosten (Kosten des Arbeitsplatzes
gemäß VwV Kostenfestlegung)                                ca.   35.000 €

-        Softwarekosten und Weiterbildung                           ca.     4.000 €

 


Geschätzte Kosten gesamt                                              ca. 268.000 €

 

 

Geschätzte Gebühreneinnahmen im Jahr                       ca.   80.000 €

 

Fehlbetrag                                                                       ca. 188.000 €

 

Der ermittelte Fehlbetrag von ca. 188.000 € würde bei insgesamt ca. 76.800 Einwohnern einen Kostensatz von rd. 2,45 € jährlich pro Einwohner ergeben.

 

Die Arbeitsgruppe 62 des Städtetags Baden-Württemberg geht derzeit von einem Kostensatz bis 3,50 € jährlich je Einwohner aus.

 

 

- 4 -

 

Der beim Gutachterausschuss der Stadt Bühl festgestellte Kostensatz beträgt im Durchschnitt der vergangenen 3 Jahre 2,89 € jährlich pro Einwohner bzw. rd. 85.000 € im Jahr. Bei einem Gemeinsamen Gutachterausschuss lägen die jährlichen Kosten bei der Stadt Bühl bei rd. 72.000 €.

 

 


II. Finanzielle Auswirkungen:

Mit der Einrichtung eines Gemeinsamen Gutachterausschusses bei der Stadt Bühl als zuständige Stelle werden Personal- und Sachkosten anfallen, die jedoch über einen Umlageschlüssel auf die beteiligten Kommunen umgelegt werden. Für die Stadt Bühl ergibt sich eine kalkulierte Kosteneinsparung von rd. 13.000 Euro pro Jahr.

 

 


Anlagenverzeichnis: