II. Beschlussvorschlag:
Der Gemeinderat beschließt die Aufstellung einer Erhaltungssatzung gemäß
§ 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des
Gebietes „Westliche „Eisenbahnstraße“ gemäß dem beigefügten Abgrenzungsplan vom
01.12.2014 und beauftragt die Verwaltung mit der Ausarbeitung der Begründung
und der Satzung.
I. Sachverhalt:
Rahmenbedingungen und Schutzwirkung der
Erhaltungssatzung
Das Grundstück Flst.Nr.1980/1 in
der Eisenbahnstraße in Bühl liegt innerhalb der 1. Änderung des Bebauungsplanes
"Herbert-Odenheimer-Straße / Bahnhof“. Für die dort vorhandenen Gebäude,
mit Ausnahme der Lörch-Villa selber, wurde der Antrag auf Abbruch im
Kenntnisgabeverfahren gestellt. Der Abbruch der Gebäude findet derzeit statt.
Da die historische Bedeutung der Lörch-Villa für die städtebauliche Entwicklung
der Stadt Bühl in letzter Zeit immer wieder diskutiert wurde, soll das Gebäude
zusammen mit den anderen historischen Gebäuden entlang der westlichen Eisenbahnstraße
über eine Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB gesichert werden. Hierzu soll nun
der Aufstellungsbeschluss gefasst werden, um, falls nötig, die notwendigen
Plansicherungsinstrumente anwenden zu können.
Über den Denkmalschutz hinaus , der vorrangig die Einzelgebäude
schützt, gibt es die Möglichkeit der Aufstellung einer Erhaltungssatzung zum
Schutz der bestehenden städtebaulichen Gestalt (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB).
Dabei geht es um den Schutz des Ortsbildes, der Stadtgestalt sowie baulicher
Anlagen, die von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder
künstlerischer Bedeutung sind.
Die
Erhaltungssatzung kann auch außerhalb eines Bebauungsplanverfahrens als
„sonstige Satzung“ erlassen werden.
Mit dem Instrument der
Erhaltungssatzung soll daher im Bereich der westlichen Eisenbahnstraße die dort
erkennbaren städtebaulichen Strukturen mit ihrem geschichtlichen Hintergrund
gesichert und Beeinträchtigungen der Stadtgestalt an dieser Stelle abgewendet
werden.
Dies bedeutet, dass künftig folgende Maßnahmen im Geltungsbereich der Satzung einer Genehmigung bedürfen:
·
Nutzungsänderung
·
Rückbau baulicher Anlagen (Abbruch)
·
Errichtung baulicher Anlagen (Neubau)
·
Änderung baulicher Anlagen
...
- 2 -
Eine Erhaltungssatzung nach § 172
Abs.1 Nr.1 BauGB übernimmt bei der Stadtgestaltung eine vorsorgende Rolle, sie
dient nicht der aktiven Gestaltung bzw. Entwicklung des Stadtbildes.
Bei der heutigen Post und dem
Lörchareal wurden keine flurstücksgenauen Abgrenzung vorgenommen, da es um die
Erhaltung der Eisenbahnstraße mit ihrem großzügigen Straßenraum und Allee und
den dazugehörigen mit Villenbauten geht und nicht um die dahinterliegenden
Freibereiche, welche zudem bereits sehr verändert wurden.
Durch den Genehmigungsvorbehalt der Satzung wird eine
präventive Kontrolle über Vorhaben an erhaltungsrelevanten Gebäuden eingeführt.
So kann der Verlust von städtebaulich wertvollen, jedoch nicht
denkmalgeschützten Objekten vermieden werden.
Erläuterungen zur städtebaulichen Eigenart des Erhaltungsgebietes
Der geplante Bereich für die
Erhaltungssatzung „Westliche Eisenbahnstraße“ umfasst insgesamt neun historische
Bauwerke, von denen drei Gebäude unter
Denkmalschutz stehen (Eisenbahnstraße 24, 25 und 34). Der Bereich wird durch
Wohn-und Gewerbenutzung geprägt. Der Geltungsbereich der Erhaltungsatzung
umfasst folgende Gebäude mit ihren Besonderheiten:
Eisenbahnstraße 34, Flst.Nr.
1984/1 (denkmalgeschützt)
Das ehemalige Bahnhofhotel ist ein
zweigeschossiges, massives Eckhaus, welches im Jahr 1869 im „Schweizer
Landhausstil“ von den beiden Baden-Badener Architekten Knorderer und Haunz
erbaut wurde (entnommen aus der Liste der Kulturdenkmäler). Heute
wird das Gebäude als Gaststätte mit Wohnraum im Obergeschoss genutzt. Nicht
mehr im Original erhalten ist die Fassadenfarbe des Gebäudes. Der heutige
Farbton entspricht nicht unbedingt dem angestrebten Erscheinungsbild der eher
gedeckten Farben in diesem Straßenzug. Haus Nr. 21 weicht ebenfalls davon ab.
Eisenbahnstraße 32, Flst.Nr.
1983/4
Das zweigeschossige Gebäude mit
Satteldach wurde von der Familie des jüdischen Getreidehändlers Gustav Gerson
Wertheimer im Jahre 1890 erbaut, später war es im Besitz der Familien Brucker
und Brenzinger. Als gestalterisches Merkmal fällt die Gliederung der Fassade
durch einen Gurtgesims auf, welcher auf mehreren Gebäuden in der
Eisenbahnstraße vorhanden ist. Genutzt wird das Gebäude heute als Wohnhaus mit
gewerblicher Nutzung.
Eisenbahnstraße 30, Flst.Nr.
1983/1
Das zweistöckige Wohnhaus des
Bernhard Wertheimer wurde im Jahre 1884 erbaut, vor und während des Krieges als
Heeresstandortverwaltung und Wehrmeldeamt, nach dem Kriege von den
französischen Streitkräften genutzt. Bei diesem Gebäude mit Satteldach gibt es
ebenfalls die Gliederung der einzelnen Geschosse durch einen Gurtgesims. Das
Gebäude wir heute zum Teil gewerblich genutzt und ist bewohnt.
…
- 3 -
Eisenbahnstraße 28,
Teilfläche Flst.Nr. 1980/1
Das zweigeschossige massive Gebäude
mit Walmdach, geprägt durch eine klare formale Gliederung, wurde 1847 im
Auftrag von Dr. Walchner im Stil des italienischen Spätklassizismus erbaut. Das
Obergeschoss ist durch höhere Fenster als sog. piano nobile (= das
bevorzugte Geschoss eines adligen oder großbürgerlichen
Wohnhauses, bzw. die am besten ausgestattete Wohnung) ausgezeichnet.
Das Anwesen erlebte nach der Familie Walcher verschiedene Eigentümer. Vor dem
Verkauf im Jahre 2013 gehörte das Anwesen von 1918 der Familie Lörch, welche in
Bühl eine Wermut- und Branntweinbrennerei gründete und Teilhaber an der Bühler
Spankorbfabrik war. Ursprünglich stand die Lörch-Villa auf Flst.Nr. 1980/1
unter Denkmalschutz, wurde jedoch 1995 aus der Denkmalschutzliste gestrichen.
Diese Streichung wurde im Juni 2012 nochmals vom Regierungspräsidium
Karlsruhe/Denkmalpflege bestätigt. Die Ursache für die Streichung waren
Umbauten (Abriss und Erneuerung des Dachstuhls), die aus Sicht der
Denkmalschutzbehörde die Kulturdenkmaleigenschaften der Villa negativ
beeinflussten. Heute steht die Villa leer.
Eisenbahnstraße 27, Flst.Nr.
24/11
Die ehemalige Villa Wenk wurde 1889
von dem Baden-Badener Architekten Leonhart Treusch, ein bedeutender
Villenarchitekt des Historismus, im Auftrag der Witwe Albert Wenks erbaut. Bei
dem eingeschossigen Gebäude handelt es sich um einen Verblendklinkerbau mit
Sandsteingliederung und einem hohen Sockelgeschoss mit Mansardwalmdach. Das
Gebäude wird heute gewerblich genutzt.
Eisenbahnstraße 25,
Teilfläche Flst.Nr. 24/4 (denkmalgeschützt)
Das Gebäude wurde 1888 für die
Reichspost erbaut. Das 2 ½ - geschossige massive Gebäude ist mit einer gelben
und roten Verblendklinker- und Sandsteingliederung versehen. Im Obergeschoss
befinden sich heute Wohnungen, im Erdgeschoss befindet sich heute noch die
Poststelle.
Eisenbahnstraße 24, Flst.Nr.
1980 (denkmalgeschützt)
Das Haus wurde 1884 von Thimotheus
Kohler im Auftrag von Gustav Mittenmaier als 2 ½ - geschossiges massives
Wohnhaus auf Sandsteinsockel erbaut. Die Straßenfassade ist in der Mitte durch
eine skulptierte risalitartige (vorspringende) Wandvorlage geschmückt. Die
Geschosse werden durch einen Gurtgesims voneinander getrennt. Die Formensprache
ist der deutschen manieristischen Architektur um 1600 entlehnt (entnommen
aus der Liste der Kulturdenkmäler). Zurzeit befinden sich die IKK, der Lerntreff und
Wohnen in dem Gebäude.
Eisenbahnstraße 23, Flst.Nr.
23/4
Das zweigeschossige Wohnhaus mit
Kniestock wurde anstelle einer zweistöckigen Scheune mit Stallung im Jahre 1897
errichtet. Bauherr war der Bühler Kaufmann Otto Wenk, die Baupläne entwarf der Architekt
Ludwig Kuen. Das Gebäude wird heutzutage gewerblich von Rechtsanwälten genutzt.
…
- 4 -
Eisenbahnstraße 21, Flst.Nr.
23/3
Das dreistöckige Gebäude
ursprünglich mit Walmdach versehen, wurde vermutlich im Jahre 1811 errichtet
und gehörte zur Spinnerei und Weberei Massenbach. Aus dem Besitz des
Fabrikanten Hermann Massenbach gelangte das Gebäude an seinen Sohn Wilhelm,
1887 an dessen Sohn Hermann Massenbach. 1892 wurde das Gebäude zusammen mit
sämtlichen Liegenschaften der Weberei Massenbach von Mathilde Wenk, geborene
Schneckenburger (Witwe des Kaufmann Albert Wenk), und dem Apotheker Wilhelm
Ewald erworben. Das weitläufige Firmengelände wurde in den folgenden Jahren
parzelliert. Das Grundstück Flst.Nr. 23/3 erwarb zu Beginn des Jahres 1893 der
Kaufmann Rudolf Ruf. Er ließ das Gebäude im Jahr 1894 nach Plänen des
Baden-Badener Architekten Treusch umbauen, wobei das Gebäude ein Satteldach
erhielt. 1897 wurde die Baulücke zum neuerrichteten Nachbarhaus Eisenbahnstraße
23 durch einen dreistöckigen Anbau geschlossen. Mitte der 1920er Jahre gelangte
das Anwesen in den Besitz des Buchbindermeisters Thomsa. Heute beherbergt das
Gebäude die Apotheke am Stadtgarten; das Obergeschoss ist bewohnt. Auch hier
entspricht die Farbwahl nicht unbedingt dem künftigen Erhaltungszielen.
Zusammenfassend kann festgestellt
werden, dass bis heute das Straßenbild der westlichen Eisenbahnstraße im
Wesentlichen durch zweigeschossige Gebäude mit einem Sockel und einer klar
gegliederten Fensterfront geprägt wird.
Das Haus Walchner war das erste in
der westlichen Eisenbahnstraße erbaute Anwesen, alle weiteren historischen
Gebäude in diesem Straßenabschnitt (von Postgebäude bis Gasthaus „Alte Post“)
sind jüngeren Datums, weshalb sich diese Gebäude im Baustil unterscheiden.
Die Gebäude markieren die bauliche
Entwicklung Bühls Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie waren die ersten
Gebäude, welche entlang der Straße zum damals brandneuen modernen
Verkehrsmittel der Eisenbahn, dem „Tor zur Welt“ gebaut wurden. So schreibt gerade
dieser Straßenzug in der baulichen und industriellen Entwicklung der Stadt Bühl
Geschichte.
Aufgrund dieser Tatsache soll als
Ziel der Erhaltungssatzung die historische Bedeutung des im Abgrenzungsplan
dargestellten Straßenzuges für die Zukunft gesichert werden.
Die Verwaltung schlägt dem
Technischen Ausschuss vor, dem Gemeinderat zu empfehlen, dem
Aufstellungsbeschluss zur Erhaltungssatzung zu zustimmen und die Verwaltung zu
beauftragen, die Begründung und den Satzungstext auszuarbeiten.
In seiner Sitzung am 11.
Dezember 2014 wird der Technische Ausschuss diesen Tagesordnungspunkt
vorberaten. Das Ergebnis wird mündlich mitgeteilt.
Beratungsergebnis Abstimmung/Wahl |
laut
Beschluss- vorschlag |
Abweichender Beschluss |
||
Ja |
Nein |
Enthalten |
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Anlagenverzeichnis: