Betreff
Aufstellung einer Erhaltungssatzung nach § 172 Abs.1 Nr. 1 BauGB für das Gebiet „Westliche Eisenbahnstraße“ in Bühl
Vorlage
TEST VO/047/2014
Art
Vorlage

II. Beschlussvorschlag:

Der Gemeinderat beschließt die Aufstellung einer Erhaltungssatzung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebietes „Westliche „Eisenbahnstraße“ gemäß dem beigefügten Abgrenzungsplan vom 01.12.2014 und beauftragt die Verwaltung mit der Ausarbeitung der Begründung und der Satzung.

 

 


I. Sachverhalt:

Rahmenbedingungen und Schutzwirkung der Erhaltungssatzung

Das Grundstück Flst.Nr.1980/1 in der Eisenbahnstraße in Bühl liegt innerhalb der 1. Änderung des Bebauungsplanes "Herbert-Odenheimer-Straße / Bahnhof“. Für die dort vorhandenen Gebäude, mit Ausnahme der Lörch-Villa selber, wurde der Antrag auf Abbruch im Kenntnisgabeverfahren gestellt. Der Abbruch der Gebäude findet derzeit statt. Da die historische Bedeutung der Lörch-Villa für die städtebauliche Entwicklung der Stadt Bühl in letzter Zeit immer wieder diskutiert wurde, soll das Gebäude zusammen mit den anderen historischen Gebäuden entlang der westlichen Eisenbahnstraße über eine Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB gesichert werden. Hierzu soll nun der Aufstellungsbeschluss gefasst werden, um, falls nötig, die notwendigen Plansicherungsinstrumente anwenden zu können.

 

Über den Denkmalschutz hinaus       , der vorrangig die Einzelgebäude schützt, gibt es die Möglichkeit der Aufstellung einer Erhaltungssatzung zum Schutz der bestehenden städtebaulichen Gestalt (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Dabei geht es um den Schutz des Ortsbildes, der Stadtgestalt sowie baulicher Anlagen, die von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sind.

 

Die Erhaltungssatzung kann auch außerhalb eines Bebauungsplanverfahrens als „sonstige Satzung“ erlassen werden.

 

Mit dem Instrument der Erhaltungssatzung soll daher im Bereich der westlichen Eisenbahnstraße die dort erkennbaren städtebaulichen Strukturen mit ihrem geschichtlichen Hintergrund gesichert und Beeinträchtigungen der Stadtgestalt an dieser Stelle abgewendet werden.

 

Dies bedeutet, dass künftig folgende Maßnahmen im Geltungsbereich der Satzung einer Genehmigung bedürfen:

 

·            Nutzungsänderung

·            Rückbau baulicher Anlagen (Abbruch)

·            Errichtung baulicher Anlagen (Neubau)

·            Änderung baulicher Anlagen

 

 

 

                                                                                                                                             ...


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Eine Erhaltungssatzung nach § 172 Abs.1 Nr.1 BauGB übernimmt bei der Stadtgestaltung eine vorsorgende Rolle, sie dient nicht der aktiven Gestaltung bzw. Entwicklung des Stadtbildes.

 

Bei der heutigen Post und dem Lörchareal wurden keine flurstücksgenauen Abgrenzung vorgenommen, da es um die Erhaltung der Eisenbahnstraße mit ihrem großzügigen Straßenraum und Allee und den dazugehörigen mit Villenbauten geht und nicht um die dahinterliegenden Freibereiche, welche zudem bereits sehr verändert wurden.

 

Durch den Genehmigungsvorbehalt der Satzung wird eine präventive Kontrolle über Vorhaben an erhaltungsrelevanten Gebäuden eingeführt. So kann der Verlust von städtebaulich wertvollen, jedoch nicht denkmalgeschützten Objekten vermieden werden.            

 

Erläuterungen zur städtebaulichen Eigenart des Erhaltungsgebietes

Der geplante Bereich für die Erhaltungssatzung „Westliche Eisenbahnstraße“ umfasst insgesamt neun historische Bauwerke, von denen drei Gebäude  unter Denkmalschutz stehen (Eisenbahnstraße 24, 25 und 34). Der Bereich wird durch Wohn-und Gewerbenutzung geprägt. Der Geltungsbereich der Erhaltungsatzung umfasst folgende Gebäude mit ihren Besonderheiten:

 

Eisenbahnstraße 34, Flst.Nr. 1984/1 (denkmalgeschützt)

Das ehemalige Bahnhofhotel ist ein zweigeschossiges, massives Eckhaus, welches im Jahr 1869 im „Schweizer Landhausstil“ von den beiden Baden-Badener Architekten Knorderer und Haunz erbaut wurde (entnommen aus der Liste der Kulturdenkmäler). Heute wird das Gebäude als Gaststätte mit Wohnraum im Obergeschoss genutzt. Nicht mehr im Original erhalten ist die Fassadenfarbe des Gebäudes. Der heutige Farbton entspricht nicht unbedingt dem angestrebten Erscheinungsbild der eher gedeckten Farben in diesem Straßenzug. Haus Nr. 21 weicht ebenfalls davon ab.

 

Eisenbahnstraße 32, Flst.Nr. 1983/4

Das zweigeschossige Gebäude mit Satteldach wurde von der Familie des jüdischen Getreidehändlers Gustav Gerson Wertheimer im Jahre 1890 erbaut, später war es im Besitz der Familien Brucker und Brenzinger. Als gestalterisches Merkmal fällt die Gliederung der Fassade durch einen Gurtgesims auf, welcher auf mehreren Gebäuden in der Eisenbahnstraße vorhanden ist. Genutzt wird das Gebäude heute als Wohnhaus mit gewerblicher Nutzung.

 

Eisenbahnstraße 30, Flst.Nr. 1983/1

Das zweistöckige Wohnhaus des Bernhard Wertheimer wurde im Jahre 1884 erbaut, vor und während des Krieges als Heeresstandortverwaltung und Wehrmeldeamt, nach dem Kriege von den französischen Streitkräften genutzt. Bei diesem Gebäude mit Satteldach gibt es ebenfalls die Gliederung der einzelnen Geschosse durch einen Gurtgesims. Das Gebäude wir heute zum Teil gewerblich genutzt und ist bewohnt.

 


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Eisenbahnstraße 28, Teilfläche Flst.Nr. 1980/1

Das zweigeschossige massive Gebäude mit Walmdach, geprägt durch eine klare formale Gliederung, wurde 1847 im Auftrag von Dr. Walchner im Stil des italienischen Spätklassizismus erbaut. Das Obergeschoss ist durch höhere Fenster als sog. piano nobile (= das bevorzugte Geschoss eines adligen oder großbürgerlichen Wohnhauses, bzw. die am besten ausgestattete Wohnung) ausgezeichnet. Das Anwesen erlebte nach der Familie Walcher verschiedene Eigentümer. Vor dem Verkauf im Jahre 2013 gehörte das Anwesen von 1918 der Familie Lörch, welche in Bühl eine Wermut- und Branntweinbrennerei gründete und Teilhaber an der Bühler Spankorbfabrik war. Ursprünglich stand die Lörch-Villa auf Flst.Nr. 1980/1 unter Denkmalschutz, wurde jedoch 1995 aus der Denkmalschutzliste gestrichen. Diese Streichung wurde im Juni 2012 nochmals vom Regierungspräsidium Karlsruhe/Denkmalpflege bestätigt. Die Ursache für die Streichung waren Umbauten (Abriss und Erneuerung des Dachstuhls), die aus Sicht der Denkmalschutzbehörde die Kulturdenkmaleigenschaften der Villa negativ beeinflussten. Heute steht die Villa leer.

 

Eisenbahnstraße 27, Flst.Nr. 24/11

Die ehemalige Villa Wenk wurde 1889 von dem Baden-Badener Architekten Leonhart Treusch, ein bedeutender Villenarchitekt des Historismus, im Auftrag der Witwe Albert Wenks erbaut. Bei dem eingeschossigen Gebäude handelt es sich um einen Verblendklinkerbau mit Sandsteingliederung und einem hohen Sockelgeschoss mit Mansardwalmdach. Das Gebäude wird heute gewerblich genutzt.

 

Eisenbahnstraße 25, Teilfläche Flst.Nr. 24/4 (denkmalgeschützt)

Das Gebäude wurde 1888 für die Reichspost erbaut. Das 2 ½ - geschossige massive Gebäude ist mit einer gelben und roten Verblendklinker- und Sandsteingliederung versehen. Im Obergeschoss befinden sich heute Wohnungen, im Erdgeschoss befindet sich heute noch die Poststelle.

 

Eisenbahnstraße 24, Flst.Nr. 1980 (denkmalgeschützt)

Das Haus wurde 1884 von Thimotheus Kohler im Auftrag von Gustav Mittenmaier als 2 ½ - geschossiges massives Wohnhaus auf Sandsteinsockel erbaut. Die Straßenfassade ist in der Mitte durch eine skulptierte risalitartige (vorspringende) Wandvorlage geschmückt. Die Geschosse werden durch einen Gurtgesims voneinander getrennt. Die Formensprache ist der deutschen manieristischen Architektur um 1600 entlehnt (entnommen aus der Liste der Kulturdenkmäler). Zurzeit befinden sich die IKK, der Lerntreff und Wohnen in dem Gebäude.

 

Eisenbahnstraße 23, Flst.Nr. 23/4

Das zweigeschossige Wohnhaus mit Kniestock wurde anstelle einer zweistöckigen Scheune mit Stallung im Jahre 1897 errichtet. Bauherr war der Bühler Kaufmann Otto Wenk, die Baupläne entwarf der Architekt Ludwig Kuen. Das Gebäude wird heutzutage gewerblich von Rechtsanwälten genutzt.

 

 

 


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Eisenbahnstraße 21, Flst.Nr. 23/3

Das dreistöckige Gebäude ursprünglich mit Walmdach versehen, wurde vermutlich im Jahre 1811 errichtet und gehörte zur Spinnerei und Weberei Massenbach. Aus dem Besitz des Fabrikanten Hermann Massenbach gelangte das Gebäude an seinen Sohn Wilhelm, 1887 an dessen Sohn Hermann Massenbach. 1892 wurde das Gebäude zusammen mit sämtlichen Liegenschaften der Weberei Massenbach von Mathilde Wenk, geborene Schneckenburger (Witwe des Kaufmann Albert Wenk), und dem Apotheker Wilhelm Ewald erworben. Das weitläufige Firmengelände wurde in den folgenden Jahren parzelliert. Das Grundstück Flst.Nr. 23/3 erwarb zu Beginn des Jahres 1893 der Kaufmann Rudolf Ruf. Er ließ das Gebäude im Jahr 1894 nach Plänen des Baden-Badener Architekten Treusch umbauen, wobei das Gebäude ein Satteldach erhielt. 1897 wurde die Baulücke zum neuerrichteten Nachbarhaus Eisenbahnstraße 23 durch einen dreistöckigen Anbau geschlossen. Mitte der 1920er Jahre gelangte das Anwesen in den Besitz des Buchbindermeisters Thomsa. Heute beherbergt das Gebäude die Apotheke am Stadtgarten; das Obergeschoss ist bewohnt. Auch hier entspricht die Farbwahl nicht unbedingt dem künftigen Erhaltungszielen.

 

 

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bis heute das Straßenbild der westlichen Eisenbahnstraße im Wesentlichen durch zweigeschossige Gebäude mit einem Sockel und einer klar gegliederten Fensterfront geprägt wird.

 

Das Haus Walchner war das erste in der westlichen Eisenbahnstraße erbaute Anwesen, alle weiteren historischen Gebäude in diesem Straßenabschnitt (von Postgebäude bis Gasthaus „Alte Post“) sind jüngeren Datums, weshalb sich diese Gebäude im Baustil unterscheiden.

 

Die Gebäude markieren die bauliche Entwicklung Bühls Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie waren die ersten Gebäude, welche entlang der Straße zum damals brandneuen modernen Verkehrsmittel der Eisenbahn, dem „Tor zur Welt“ gebaut wurden. So schreibt gerade dieser Straßenzug in der baulichen und industriellen Entwicklung der Stadt Bühl Geschichte.

 

Aufgrund dieser Tatsache soll als Ziel der Erhaltungssatzung die historische Bedeutung des im Abgrenzungsplan dargestellten Straßenzuges für die Zukunft gesichert werden.

 

Die Verwaltung schlägt dem Technischen Ausschuss vor, dem Gemeinderat zu empfehlen, dem Aufstellungsbeschluss zur Erhaltungssatzung zu zustimmen und die Verwaltung zu beauftragen, die Begründung und den Satzungstext auszuarbeiten.

 

In seiner Sitzung am 11. Dezember 2014 wird der Technische Ausschuss diesen Tagesordnungspunkt vorberaten. Das Ergebnis wird mündlich mitgeteilt.

 

 


 

Beratungsergebnis Abstimmung/Wahl

 

laut Beschluss-

vorschlag

Abweichender

Beschluss

Ja

Nein

Enthalten

 

 

 

 

 

 


Anlagenverzeichnis: